Sonntagsgadanken: Der Monat November beginnt morgen.

Viele Leute mögen ihn nicht so. Es ist bald dunkel, er ist oft nasskalt und neblig. Und wir nennen ihn auch den Totenmonat. Verschiedene Gedenktage weisen ja auch darauf hin. Auf den Friedhöfen werden die Gräber gerichtet. Blumen und Gestecke werden besorgt. Aber vor dem Totengedenken kommen noch 2 Feiertage.

Heute der Reformationstag und morgen Allerheiligen.  Für Martin Luther und viele seiner Zeitgenossen war ja die grundlegende Frage ihres Glaubens: „Wie finde ich einen gnädigen Gott?“ Das heißt doch, wie ich vor Gott bestehen kann, dass ich von ihm wegen mancher Schuld nicht verdammt werde. Die Lektüre des Römerbriefes brachte für ihn den Durchbruch: „Der aus Glauben Gerechte wird leben.“ Und wo finden wir solche Menschen? Muss man da nicht schon heilig sein? Finden wir solche „Heilige“ in den Gräbern unserer Friedhöfe? „Heilig sein“ – damit verbinden wir doch eine besondere Leistung; eine Heiliger oder eine Heilige müssen besonders fromm gewesen sein, müssen viel gebetet und viele guten Werke getan haben. Wir stellen sie auf einen Sockel – lassen sie dort stehen und vergessen dabei sehr leicht, dass die Heiligen zu allererst ganz normale Menschen waren wie du und ich. Es geht um ein ganz konkretes Alltagsleben. Wenn ich mir dann unter einem Heiligen nur einen vollkommenen, immer frommen Menschen vorstelle; einen, der unendlich viel leisten muss um vor Gott bestehen zu können, dann ist die große Frage, ob ich ein solcher Heiliger überhaupt sein möchte. Dir großen Heiligen sind nicht zuerst wegen ihrer Leistung heilig. Sie sind heilig, weil sie „durchsichtig“ waren für den, auf den sie ganzes Leben aufgebaut hatten; weil in ihrem Leben Gott sichtbar geworden ist. Deshalb die Frage: „Finden wir solche Heilige auf unseren Friedhöfen?“ Wir feiern das Fest Allerheiligen. Gerade an diesem Tag denken wir an viele Menschen auch unserer Tage, die „Heilige“ sind. Das Fest will uns vor dem Fehler bewahren, dass wir nur auf die großen Namen schauen, die im Kalender stehen und wir vielleicht einige kennen. Wir werden darauf aufmerksam gemacht, dass es viele gibt, die einfach, still und unauffällig ihre Pflicht getan haben und tun und das Alltägliche und Gewöhnliche mit nicht alltäglicher Liebe und Treue getan haben. Allerheiligen will uns auch sagen, dass viele, die wir Heilig nennen unangepasste, manchmal auch schräge Typen waren, Aussteiger, Extreme. Vielleicht können die Heiligen uns in der Art und Weise, wie sie ernsthaft, konsequent und mit liebendem Herzen auf die Menschen zugegangen sind, Vorbild sein. Das sind nicht irgendwelche verstaubten Heilige.

Solche Heiligen finden wir auch mitten unter uns. Suchen wir sie dort, wo Menschen andere froh machen; wo Menschen selber Freude haben und andere froh machen. Dort, wo Menschen anderen Menschen beistehen in Krankheit und Not, in der Flüchtlingsarbeit und in der Begleitung von Sterbenden, dort wo Menschen in Besuchsdiensten anderen Menschen eine Freude machen. Allerheiligen ist so das Fest für alle, die ihr Menschsein ernst genommen haben und anderen geholfen haben, Mensch zu sein. Solche Menschen finden wir hoffentlich viele, nicht nur auf den Friedhöfen und den Sockeln unserer Kirchen, sondern mitten unter uns.

 

Winfried Hierlemann Pfr. i. R.

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