Sonntagsgedanken: Sterben können, um leben zu können

Christus spricht: „In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost. Ich habe diese Welt überwunden.“

(Joh 16,33)

Wer die Welt überwunden hat, könnte übermenschlich genannt werden. Ein Superheld? Sind Christinnen und Christen so etwas wie Superhelden? Ja, in gewisser Weise. Wie alle sympathischen Held*innen sind sie verwundbar, doch sie haben eine Superkraft: Gelassenheit. Ähnlich wie bei anderen Held*innen stammt diese Superkraft Gelassenheit nicht von dieser Welt. Gott selbst schenkte sie Menschen. Gerade angesichts großer Krisen ist Gelassenheit wertvoll. Natürlich ist unser irdisches Leben gefährdet durch Krankheit, Tod, wirtschaftlichen Ruin und das Machtstreben krankhaft gieriger Menschen. Doch dieses Leben wird beschützt, gestärkt und gefördert durch die Superkraft Gelassenheit, die wir aus diesem tiefen Wissen heraus gewinnen: Dieses Leben ist nicht alles. Dieses Leben ist nur eine Episode unserer Existenz. Christus bewahrt uns nicht vor dem irdischen Tod, doch bewahrt er uns vor Todesangst. Auch dafür ist er durch den menschlichen Tod in Gänze hindurchgegangen, dass er hinterher glaubwürdig berichten kann, dass wir ihn nicht zu fürchten brauchen. Denn: Unser wahrer Daseinskern ist nicht in dieser Welt und deshalb auch nicht von den in dieser Welt wirkenden Kräften bedroht. Wir leben in dieser Welt und wir leben in Christus. Er hat die Welt überwunden. Wir sind in Christus.

Als mich letztes Jahr eine Erkrankung auf meine eigene Sterblichkeit hinwies, erzählte ich davon Kindern im Religionsunterricht. Ob ich nun Angst hätte, fragten sie. Ich antwortete, dass ich mich schon um meine Gesundheit sorge, aber auch gelassen auf alles nach dem irdischen Tod zuginge, weil ich mir sicher sei, dass es dort noch schöner sei als hier. Manche Kinder sahen mich verdutzt an. Auf etwas nach dem Tod freuen? Das war für sie ein neuer Gedanke.

„In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“, ruft Christus uns zu, und sortiert damit unsere irdische Erfahrung in den Kontext unserer größeren Existenz ein. Irdisches Leben ist kostbar und schützenswert, und deshalb dürfen wir dankbar sein für alle Menschen, die dazu beitragen, dass irdisches Leben bewahrt wird. Wer gelassen in Christus lebt, dem wird Leben gerade nicht gleichgültig, denn wir erkennen es als nützlich und voller Freude und Reichtum. Dadurch können wir hilfsbereit und großzügig handeln. Und dabei gelassen bleiben.

 

Pfarrer Jens Rembold

Evang. Kirchengemeinde am Hohenstaufen

 

 

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