Immer mehr Azubis gehen: Was hinter den Abbrüchen steckt – und wie Betriebe jetzt gegensteuern können

Mehr als jeder vierte Ausbildungsvertrag wird vorzeitig gelöst. Bundesweit. Nicht nach einem Jahr, sondern oft schon in den ersten Monaten. Dabei liegt der Grund selten an mangelnder Leistungsbereitschaft – sondern an Frust, Überforderung oder fehlender Begleitung. Warum fällt es Betrieben so schwer, junge Menschen durch die Ausbildung zu führen? Und was lässt sich ändern, bevor der nächste Azubi einfach geht?

Fehlstart statt Einstieg: Warum viele Ausbildungen holprig beginnen

Der erste Arbeitstag entscheidet oft mehr, als jede Bewerbung vermuten lässt. Wer morgens in einem neuen Betrieb steht, will nicht nur lernen – sondern ankommen. Doch genau hier beginnen viele Probleme. Kaum Begrüßung, kein Plan, niemand mit Zeit. Statt Einführung wartet eine To-do-Liste und der Satz: „Schau erst mal zu.“ Für viele Auszubildende ist das der Moment, in dem sie innerlich aussteigen. Was folgt, sind Wochen des Nebeneinanders. Zwischen Meetings, Deadlines und Schichtplänen bleibt keine Zeit für echte Einarbeitung.

Manche Betriebe versuchen es mit Ordnern und Checklisten – andere überlassen die Einführung dem „Kollegen, der halt gerade Luft hat“. Was fehlt, ist Struktur. Und vor allem: Verantwortung. In der Schweiz etwa ist es gesetzlich geregelt, dass Ausbilder eine didaktische Qualifikation mitbringen müssen. Ein Berufsbildner übernimmt dort genau diese Aufgabe: Er plant, strukturiert, begleitet und sorgt dafür, dass Lernende vom ersten Tag an nicht nur wissen, was zu tun ist – sondern auch, warum. Der Berufsbildnerkurs vermittelt dafür nicht nur Inhalte wie Ausbildungsplanung oder Feedbackführung, sondern auch Gesundheitsprävention, Methodenkompetenz und die Zusammenarbeit mit Schulen. Ein Standard, der in vielen deutschen Betrieben nur als Ausnahme existiert.

Zwischen Motivation und Monotonie: Warum viele Azubis innerlich kündigen

Die erste Begeisterung ist schnell da – der Alltag ebenso schnell ernüchternd. Immer dieselben Aufgaben, keine Verantwortung, kaum Anerkennung. Wer aus der Schule kommt, hat Lust auf Praxis. Doch wenn die Ausbildung zur reinen Abarbeitung verkommt, sinkt nicht nur das Engagement – sondern auch das Vertrauen. Junge Menschen wollen sehen, wofür sie lernen. Und wofür sie gebraucht werden.

Viele Betriebe erwarten Eigeninitiative – aber ohne zu erklären, was das eigentlich heißt. Statt zu fördern, wird häufig nur gefordert. Wer Fehler macht, wird korrigiert – aber nicht begleitet. Wer Fragen stellt, stört den Ablauf. In diesem Klima bleibt kaum Raum für Entwicklung. Und genau das macht sich bemerkbar: Azubis ziehen sich zurück. Einige still, andere sichtbar. Spätestens beim Zwischenzeugnis kommt die Kündigung.

Die Kommunikationslücke: Wenn Erwartungen unausgesprochen bleiben

Zwischen Azubis und Ausbildern liegen nicht nur Jahre, sondern oft auch Welten. Während die einen Zielstrebigkeit erwarten, wünschen sich die anderen Unterstützung. Was beide Seiten selten aussprechen, führt zu Missverständnissen – und am Ende zum Abbruch. Dabei sind es häufig Kleinigkeiten: ein unbedachter Ton, eine nicht erklärte Abkürzung, ein ironischer Kommentar.

Viele Ausbilder unterschätzen, wie viel Unsicherheit im Alltag der Azubis mitschwingt. Jeder Fehler wird doppelt gewichtet. Jeder unklare Auftrag führt zu Stress. Wer sich dann nicht traut nachzufragen, funktioniert nur noch – und lernt dabei wenig. Umgekehrt interpretieren viele Ausbilder Zurückhaltung als Desinteresse. Ein Teufelskreis.

Wie sich der Graben überwinden lässt

Klare Kommunikation ist keine Kür, sondern Grundlage für funktionierende Ausbildung. Schon kleine Routinen können helfen: tägliche Kurzbesprechungen, ein fester Ansprechpartner für Rückfragen, gezielte Nachfragen wie „War das nachvollziehbar für dich?“ statt „Alles klar?“. Wer regelmäßig Rückmeldung einholt – nicht nur gibt – erkennt früh, wo Verständnisschwierigkeiten liegen. Auch das sprachliche Niveau spielt eine Rolle: Fachbegriffe und Abkürzungen sollten erklärt werden, statt stillschweigend vorausgesetzt zu sein.

Hilfreich ist es zudem, Kommunikationsvereinbarungen schriftlich festzuhalten – etwa in Form eines „Azubi-Knigge“ oder als gemeinsames Starterdokument. Auch Reflexionsgespräche in lockerer Atmosphäre – etwa beim gemeinsamen Mittagessen oder bei Azubi-Meetings – schaffen Vertrauen.

PM

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