Weniger Pestizide – mehr Bio. Verbot von Schottergärten – besserer Schutz für Streuobstwiesen und Förderung des landesweiten Biotopverbundes. Heute vor einem Jahr (18.12.19) haben sich Politik, Naturschutz- und Landwirtschaftsverbände auf einen Gesetzentwurf gegen das Arten- und Höfesterben geeinigt. Am Verhandlungstisch saßen die Trägerkreis-Organisationen sowie Umweltminister Untersteller, Agrarminister Hauk und Vertreter*innen der Landwirtschaftsverbände. Das Bienen-Bündnis hatte den Entwurf einstimmig akzeptiert. Und so das bundesweit fortschrittlichste Gesetz zum Schutz der Biodiversität auf den Weg gebracht.
Die Landesverbände von Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Demeter, Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL), Slow Food Deutschland, Bäuerlicher Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall und Landesnaturschutzverband (LNV) ziehen ein Jahr nach dem hart umkämpften Dialogprozess positive Bilanz.
„Wir können stolz sein auf das, was wir seit Start der Initiative erreicht haben. Es ist uns gelungen, den Artenschutz umfassend in so vielen Bereichen gesetzlich zu verankern: Ausbau des Öko-Landbaus, Reduktion des Pestizid-Eintrages, Schutz von Streuobstwiesen oder Verstärkung des Biotopverbundes. Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist dadurch zur Aufgabe Vieler geworden und nicht nur einzelner Gruppen“, sagt Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND. „Landauf landab gab es heiße Diskussionen, Zuspruch und Konfrontation. Es gab viele, viele ehrenamtliche Aktive, die das Volksbegehren unterstützt und ins Land getragen haben. Der Erfolg ist vor allem diesen tatkräftigen Menschen zu verdanken, die sich im ganzen Land für eine Kehrtwende im Artenschutz eingesetzt haben und weiter einsetzen.“
Den Worten müssen jetzt Taten folgen
Nun müssen den Worten auch Taten folgen. Ein wichtiges Etappenziel ist mit Verabschiedung des Gesetzes im Landtag diesen Sommer erreicht worden. Jetzt müssen die gesetzlichen Ziele auch in wirkungsvolle Maßnahmen gegossen werden, ganz unabhängig von der Farbe des Parteibuchs der kommenden Landesregierung.
Tanja Holzschuh, stellvertretende Landesvorsitzende der AbL, sieht in der praktischen Umsetzung bereits erste Erfolge. „Dennoch wird es sehr lange dauern, regionale Wertschöpfungsketten im Sinne der bäuerlichen Landwirtschaft sowie der Bio-Märkte flächendeckend aufzubauen. Das wird eine große Herausforderung und kein Selbstläufer sein.“ Dafür fordert Rudolf Bühler von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall auch die Verantwortung der Bürger*innen ein: „Wenn wir 40 Prozent Bio wollen, dann müssen auch 40 Prozent der Verbraucher*innen mitziehen und konsequent heimische Bioprodukte zum fairen Preis einkaufen! Und: Artenschutz und Reduzierung von Pestiziden beginnt vor der Haustür von uns allen – etwa im Hausgarten, auf dem Balkon oder entlang der Verkehrswege.“
Langer Weg zum Kompromiss
Das Volksbegehren Artenschutz – „Rettet die Bienen“ hat laut Verbänden einen Stein für den Artenschutz ins Rollen gebracht, aber auch für starke Kontroversen zwischen Naturschutz und Landwirtschaft gesorgt. „Wir haben 2019 an grundsätzlichen Fragen für ein nachhaltiges Baden-Württemberg gearbeitet. Da hat es auch mal ordentlich gekracht. Schließlich haben aber die intensiven Verhandlungen mit allen Beteiligten den Prozess der Aussöhnung von Naturschutz und Landwirtschaft einen großen Schritt vorangebracht“, bewertet Demeter-Landesvorstand Tim Kiesler im Rückblick. Andrea Lenkert-Hörrmann von Slow Food bilanziert: „Das Ergebnis der Initiative ist ein Aufbruch zu einem neuen gesellschaftlichen Grundkonsens über die Zukunft der Landwirtschaft und unseres Ernährungssystems, über den Umgang mit unseren Ressourcen und damit die Zukunft der nachfolgenden Generationen.“
Das Biodiversitätsstärkungsgesetz, das aus dem Volksbegehren entstanden ist, sieht unter anderem vor, einen landesweiten Biotopverbund einzurichten, chemisch-synthetische Pestizide bis zum Jahr 2030 um 40 bis 50 Prozent zu reduzieren und den ökologischen Landbau bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent auszubauen. Außerdem werden Pestizide in Naturschutzgebieten verboten, Streuobstwiesen besser geschützt, Beleuchtung insektenfreundlich gestaltet, Schottergärten verboten und ein landesweites Ausgleichskataster für Ausgleichsmaßnahmen eingerichtet. Insbesondere im letzten Punkt sieht Gerhard Bronner vom LNV große Chancen für den Naturschutz: „Wir sind froh, dass endlich eine einheitliche Plattform für alle Kompensationsmaßnahmen kommt und so die Chance besteht, das riesige Vollzugsdefizit aufzuarbeiten.“
Die Erfolge in Kürze:
- 40 bis 50 Prozent weniger chemisch-synthetische Pestizide bis 2030
- Ausbau der Öko-Landwirtschaft auf 30 bis 40 Prozent der Flächen bis 2030
- Verbot aller Pestizide in Naturschutzgebieten. Verpflichtung zum Integrierten Pflanzenschutz in allen anderen Schutzgebieten
- Schutz der Streuobstbestände
- Bis 2030 Ausbau des Biotopverbundes auf 15 Prozent der Landesfläche
- Verbot von Schottergärten
- Mindestens 62 Millionen Euro zusätzlich vom Land in den nächsten zwei Jahren für den Artenschutz
PM Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V.