Wird aus dem Charlottensee ein Sumpf?

Das Naturdenkmal in der Nähe von Schloss Filseck muss gepflegt werden, damit es auch für spätere Generationen erhalten bleibt. Kürzlich fuhr ein Experte mit einem Boot über den See, um Proben des Bodens zu entnehmen. Davon hängt ab, welche Maßnahmen den Charlottensee erhalten können, sofern dies überhaupt gewünscht ist.

Für manche Menschen, die kürzlich zum Radeln, Spaziergang oder Gassigehen mit dem Hund am Charlottensee zwischen Uhingen und Sparwiesen vorbeigekommen sind, war der Anblick sicherlich ungewohnt: Inmitten des Idylls sticht ein kleines Boot in See. Das hat einen wichtigen Grund, der maßgeblich mit der Zukunft des kleinen Gewässers zusammenhängt.

Wer das wie von Menschenhand unberührt wirkende Naturdenkmal unweit vom Ausflugsziel Schloss Filseck sieht, kann kaum glauben, dass der See nicht von Mutter Natur geschaffen wurde. Stattdessen entstand er durch den Menschen – vermutlich im Mittelalter. „Viele künstliche Gewässer stehen in Zusammenhang mit mittelalterlichen Klostergründungen. Mönche könnten auch einst den Charlottensee angelegt haben, um dort Fische zu züchten“, überlegt Klaus-Jürgen Boos, der mit seinem Büro für Gewässerkunde und Landschaftsökologie kürzlich auf dem See unterwegs war. Möglich ist auch, dass der See einst als Viehtränke erschaffen wurde. Bereits 1550 wurde er erstmals als der größte unter fünf Weihern urkundlich erwähnt. Während die übrigen Teiche zugeschüttet wurden, konnte der Charlottensee immer wieder vor der Verlandung bewahrt werden.

Doch die Erschaffung des Charlottensees in der Vergangenheit führt zu Problemen in der Gegenwart und Zukunft: „Der See verfügt über keinen natürlichen Zulauf und keinen natürlichen Abfluss“, erklärt Uhingens Ordnungsamtsleiter Michael Eberhard. Das bedeutet, dass sich Sediment am Boden ansammeln und nicht abgeschwemmt werden kann. Außerdem, das ist vor allem im Sommer der Fall, fehlt es bei Trockenheit an Frischwasser und somit an einer Sauerstoffzufuhr. Das Wasser im See heizt sich auf, der Sauerstoffgehalt sinkt deutlich, Algen wuchern und Fische sterben. Die Folge: Ohne abermaliges Eingreifen des Menschen in das künstliche Gewässer verlandet der See mit der Zeit. „In 150 bis 200 Jahren wird es den Charlottensee nicht mehr geben“, erklärt Klaus-Jürgen Boos weiter. Pro Jahr könnte die Schlickschicht am Seegrund des Charlottensees um 0,5 Zentimeter wachsen – bis der See in ferner Zukunft nicht mehr existiert. „Stattdessen befindet sich dann dort ein Niedermoor.“ Von diesem können im Sommer übelriechende Gerüche ausströmen, weil Schwefelwasserstoff in die Luft entweicht. Das sei zwar beim Charlottensee im Sommer mit extremer Trockenheit schon jetzt auch immer wieder der Fall, allerdings könnte das mittels diverser Maßnahmen bald der Vergangenheit angehören.

Um die Bedeutung des Sees hinsichtlich der Ökologie wissend, beschäftigen sich Gemeinderat und Stadtverwaltung schon seit längerer Zeit mit dem Charlottensee und seiner Zukunft. Und hier kommt Klaus-Jürgen Boos ins Spiel. Der Gewässerexperte hatte den Verantwortlichen schon in der Vergangenheit die möglichen Pflegemaßnahmen aufgezeigt, die da lauten: Schlamm aus dem See holen, zusätzlich Grundwasser zuleiten und eine extensive Nutzung des Bodens im Umfeld des Sees fördern, sprich wenige Maschinen, Düngemittel und Pestizide. Außerdem könnte ein Polder angelegt werden. Dabei handelt es sich um eine mit einem Wall versehene Fläche, auf der der Schlamm abgeladen werden kann. Nachdem sich die Schwebeteilchen gesetzt haben, kann das Wasser zurück in den Charlottensee fließen. Diese Maßnahmen würden insgesamt 285.000 Euro kosten – einmalig – und zusätzlich pro Jahr 2.500 Euro für die Pflege. Bevor diese Maßnahmen genehmigt werden, müssen aber Proben des Seebodens genommen und analysiert werden.

Eine Analyse einer ersten Probenentnahme ergab, dass sich Rückstände von Kohlenwasserstoff im Matsch aus dem See befinden. „Früher erfolgte die Entwässerung der umliegenden Verkehrswege in den Charlottensee“, erklärt Klaus-Jürgen Boos weiter, weshalb sich Rückstände im Schlick fanden

Weil der Großteil des Sees bei der Probenentnahme vergangenes Jahr von Teichrosen zugewuchert war, konnte sich der Gewässerexperte allerdings keinen Überblick über die Bodensituation im gesamten See verschaffen und somit waren diese Proben nicht aussagekräftig genug. Nachdem die wie Unkraut wuchernden Pflanzen im vergangenen Sommer zurückgeschnitten worden waren, fand Klaus-Jürgen Boos nun vor Kurzem einen deutlich freieren See vor und konnte von einem Boot aus an mehreren unterschiedlichen Stellen weitere Proben entnehmen. Auch diese müssen nun analysiert werden. Mit einem Ergebnis rechnet Klaus-Jürgen Boos Anfang/Mitte Mai.

Von der Analyse dieser Proben hängt es nun ab, ob der Schlamm – in getrockneter Form als Humus – für landschaftspflegerische Maßnahmen in Uhingen verwendet werden kann oder auf einer Deponie entsorgt werden muss. „Es gelten spezielle Vorgaben, welche Rückstände und in welcher Menge in dem Boden enthalten sein dürfen, der entsorgt werden muss“, erzählt Uhingens Ordnungsamtsleiter Michael Eberhard jüngst am Charlottensee, als er die Arbeit des Experten vom Ufer aus verfolgte. Und die Rede ist nicht von nur ein wenig Schlamm, sondern es handelt sich schon um einige Mengen, macht Klaus-Jürgen Boos deutlich. Er vermutet, dass die Schlammschicht am Grund des Sees, der an seiner tiefsten Stelle vielleicht nur 1,50 Meter tief ist, zwischen 30 und 40 Zentimeter dick ist. Also müssten einige tausend Kubikmeter Seeschlamm ausgebaggert werden.

Für Klaus-Jürgen Boos ist klar: „Wenn man nichts macht, wird der See verlanden.“ Allerdings wolle er keine Horrorszenarien heraufbeschwören, betont er weiter. Dennoch weiß er um die für die Ökologie wichtige Bedeutung des Charlottensees und auch um seinen Wert für die Naherholung. Das Gewässer ist aber nicht nur Ausflugsziel vieler Menschen, die sich am Ufer vom plätschernden Wasser eine Auszeit vom Alltag gönnen. Er ist auch wichtige Brutstätte von Reihern, weiß Reiner Blaschke vom Fischereiverein Uhingen. Er lenkte das von der Freiwilligen Feuerwehr Uhingen zur Verfügung gestellte Boot jüngst behutsam über den See, damit der Gutachter für Gewässerschutz und Qualitätsmanagement für Oberflächen- und Grundwasser seine Bodenproben entnehmen konnte. „Normalerweise bauen die Vögel auf den Bäumen ihre Nester, diesmal aber brüten sie im Schilf“, sagt Reiner Blaschke. „Das sind richtig viele Reiher.“ Für Klaus-Jürgen Boos ist klar: „Soll der Charlottensee erhalten bleiben, muss die Stadt eingreifen.“

Hintergrund: Beim Charlottensee sieht Klaus-Jürgen Boos sehr hohen Handlungsbedarf, wie er in einer Analyse bereits im Jahr 2021 aufgezeigt hatte. Im Wasser bilden sich Defizite durch die Sauerstoffarmut und die hohen Nährstoffgehalte. Außerdem wird der Sedimentzustand durch den hohen Verschlammungsgrad, das starke Sauerstoffzehrungspotenzial und die erheblichen Gehalte an Sedimentphosphor beeinträchtigt. Seine umfangreichen Untersuchungsergebnisse hatte Klaus-Jürgen Boos dem Uhinger Gemeinderat eigens im Rahmen einer Klausurtagung präsentiert, ebenso die Maßnahmen. „Wie bei jeder Einrichtung einer Gemeinde benötigen Sie auch bei einem See Geld, um ihn in den Anfangszustand zu versetzen“, erklärt der Gewässer-Experte. Mit den Jahren müsse auch immer wieder Geld in die Hand genommen werden, um beispielsweise ein Hallen- oder Freibad, eine Schule oder einen Kindergarten zu sanieren und in eine Art Neu-Zustand zu versetzen. Die Wasserfläche des Sees wird von der Teichrose, auch Teichmummel genannt, dominiert. Besonders für die Vogelwelt hat der Charlottensee als Brut und Rastgebiet eine große Bedeutung. Regelmäßig können Stockenten, Blässhühner, Graureiher und Kormorane beobachtet werden. Zu den seltenen geflügelten Gästen dieses Sees gehören Höckerschwan, Nilgans, Löffelente, Schnatterente, Krickente, Spießente, Reiherente, Zwergtaucher, Wasserralle, Teichralle und Teichrohrsänger. Natürlich beherbergt der Charlottensee auch Amphibien wie die Erdkröte oder den Teichmolch, Gelbbauchunke und Wasserfrosch sowie zahlreiche Insekten. Im Wasser leben die Fischarten Rotaugen, Rotfedern, Schleien, Hechte und Karpfen.

Info: Eine naturkundliche Rundwanderung soll das Naturdenkmal näher beleuchten. Diese findet am Sonntag, 18. Juni, von 9 bis 11.30 Uhr statt. Die Lokale Agenda 21, der NABU Göppingen und Umgebung sowie die Schloss-Filseck-Stiftung der Kreissparkasse, die Volkshochschule Uhingen und VHS Göppingen bieten diese Wanderung für Familien mit Kindern ab sechs Jahren an. Die Wanderung führt vom Charlottensee auf einem Rundweg durch den Landschaftspark Schloss Filseck. Im Wald, am Waldesrand, auf den Wiesen, am Acker, an den Tümpeln und am Charlottensee werden   einige Vögel, Insekten und andere Tiere zu beobachten sein. Auch sollen zahlreiche Wildpflanzen genauer betrachtet werden. Vorkenntnisse sind dabei nicht erforderlich.

 

PM Stadt Uhingen

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