Zugegebenermaßen, ohne ein winziges bisschen Glück kommt selbst der beste Pokerspieler auf Dauer nicht aus. Doch je versierter ein Zocker ist, desto entscheidender ist das eigene Können. Psychologie und Mathematik sind die Basis des beliebten Kartenspiels, das auch in Deutschland immer mehr Anhänger findet. Allein das seit der Einführung des neuen Glücksspielstaatsvertrags der Länder im Sommer 2021 legalisierte online Poker wird Schätzungen zufolge von rund 430.000 Spielern in Deutschland regelmäßig gezockt. Hinzu kommen ungezählte Fans, die in den staatlichen Spielbanken, mit Freunden oder im Verein zu den Karten greifen.
Das Wort regelmäßig ist dabei wichtig. Wer nur alle Jubeljahre einmal pokert, kann zwar gewinnen, wird aber die Feinheiten in den seltensten Fällen verstehen. Und auf die kommt es auf Dauer an. Die eigentlichen Regeln, was die Art des Setzens und die Reihenfolge sowie den Wert der einzelnen Hände angeht, sind binnen Minuten zu verstehen. Doch damit fängt der Lernprozess erst an, und der kann sich über Jahre oder gar Jahrzehnte erstrecken. Das hält das intellektuelle Spiel sogar für Experten spannend, während Anfänger auch ohne enzyklopädisches Wissen ihren Spaß haben können.
Ein paar Grundstatistiken sollten von Anfang an im Hinterkopf behalten werden. Bei einem Spiel, das allein bei den Varianten mit fünf Karten wie Texas Hold‘ em insgesamt 2598960 Möglichkeiten für Pokerblätter gibt, ist es schier unmöglich, jedes einzelne Szenario im Kopf durchzurechnen. Was sich hingegen sehr gut umsetzen lässt, ist das Erkennen von vielversprechenden Starthänden. Auf Poker online Seiten lassen sich dafür Pokerrechner benutzen, die die statistischen Werte anzeigen.
Erfahrene Zocker spielen im Schnitt nur jede fünfte Starthand, weil die anderen zu schlechte Aussichten bieten. Die damit verbundenen Auszeiten bieten dafür eine andere Art von Gewinn: Spieler, die gefoldet haben, können stattdessen in Ruhe die Kontrahenten und deren Züge studieren.
Am einfachsten ist das beim Online-Poker. Wer sich jeden einzelnen Zug in den Händen notiert, was sowohl das eigene Spiel wie auch das der Gegner angeht, kann hinterher die so gesammelten Informationen auswerten. Zwar sind mehr als nur ein paar Hände erforderlich, um aussagekräftiges Material zu sammeln, aber die Analyse lohnt sich. Etwas Abstand gehört allerdings dazu, weil es nicht allein reicht, vielversprechende Hände zu erkennen und zu merken, wo die Schwachstellen bei den anderen Zockern liegen. Selten gewinnt nämlich die statistisch stärkste Hand. Meist ist es der Mensch dahinter, der sich zu viel oder zu wenig zutraut, übereilt reagiert oder sich leicht bluffen lässt.
Wer imstande ist, diese Achillesfersen beim eigenen Spiel zu erkennen, kann sich daran machen, das zu ändern. Die psychologische Komponente beim Poker lässt sich genauso im Alltag einsetzen. Zocker, die am echten oder virtuellen Kartenspiel ein Gespür dafür entwickeln, wann jemand mit schlechten Karten in der Hand großspurig blufft oder sich umgekehrt leicht ins Bockshorn jagen lässt, wird dieselben Anzeichen leichter im echten Leben erkennen. Das gilt für den Beruf genauso wie fürs Privatleben.
Viele der erfolgreichsten Pokerspieler haben Online-Partien benutzt, um das Spiel so intensiv wie möglich theoretisch und praktisch zu studieren. Weil der Glücksfaktor auf längere Sicht so gering ist, haben sich auch Wissenschaftler des Themas Poker angenommen. Die US-amerikanische Eliteuniversität Massachusetts Institute of Technology (MIT) hatte zwischendurch sogar das Studienfach Pokertheorie und Analyse im der Öffentlichkeit zugänglichen Sommerprogramm. Anschließend wurden die Vorlesungen auf YouTube dem allgemeinen Publikum zur Verfügung gestellt. Wann und wie gesetzt wird, ist dabei ein wichtiger Aspekt. Je nach Platzierung in der Runde verändern sich nämlich die statistischen Wahrscheinlichkeiten. Wer als erster setzt, hat weitaus weniger Informationen zur Verfügung als derjenige, der zum Schluss an der Reihe ist.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor hat wenig mit der eigentlichen Mathematik hinter dem Spiel und sehr viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Zum Zocken gehören nämlich nicht nur gute Nerven, sondern auch der souveräne Umgang mit Misserfolg. Selbst die besten Pokerspieler aller Zeiten sehen sich mit Niederlagen konfrontiert. Manchmal lohnt es sich, die Zähne zusammenzubeißen und weiterzuspielen, in anderen Fällen ist es besser, für den Abend aufzuhören.
Dabei gilt es in beiden Fällen, kühlen Kopf zu bewahren. Wer sich verführen lässt und versucht, mit gewagteren Einsätzen das Spiel herumzureißen, hat vergessen, dass Poker in erster Linie ein Geschicklichkeitsspiel ist. Je waghalsiger ein Zocker wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, ein tiefes Loch in seine Taschen zu reißen.
Doch sogar, wenn die meisten Spiele gewonnen werden, lassen sich gerade Anfänger häufig zu Fehleinschätzungen verleiten. Etliche kleine Gewinntöpfe fühlen sich emotional gut an, aber ein einziger größerer Verlust kann aus den schwarzen Zahlen schnell rote werden lassen. Ein strikt eingehaltenes Budget, dessen Verlust sich mühelos verschmerzen, ist deshalb einer der Grundpfeiler beim Zocken. Ein bisschen Glück gehört zwar auf Dauer für den Erfolg dazu, aber viel wichtiger sind Können, Nerven und Selbstdisziplin, um langfristig Spaß am Spiel zu haben.
PM