Es gibt diese Woche so viele Jahrestage, da muss ich mich auf die wichtigsten beschränken.
Das politische Wort zum Sonntag: über 80 Jahre Morde an Dietrich Bonhoeffer, Georg Elser und den Männern von Brettheim
Am 4. April 1925 wurde die SS gegründet und zwischen Gründung und im Betreff erwähnten Morden lagen 20 Jahre, in denen viel passiert ist. Man sieht also, was sich im Laufe der Zeit entwickeln kann.
Am 9. April 1945 wurden vermutlich unabhängig voneinander Georg Elser im KZ Dachau und Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg von der SS ermordet. Zwei Menschen, die sich nicht kannten und die vermutlich auch nicht viel miteinander verbunden hat – außer ihrem Einstehen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, der Ablehnung des Nationalsozialismus und dem Wunsch nach einem freien Deutschland. Dafür haben sie viel riskiert und waren bereit, ihr Leben zu geben und haben ihren Heldenmut mit diesem bezahlt.
Das Endphaseverbrechen, das mich am meisten berührt, sind die Morde von Brettheim, nördlich von Crailsheim, da es in der Nähe von Heidenheim liegt, wo ich aufgewachsen bin. 2006 gab es eine Exkursion dorthin, an der ich leider nicht teilnehmen konnte. Zufällig war ich ein paar Wochen später in der Ecke und habe einen Abstecher nach Brettheim gemacht und spontan einen alten Mann angesprochen, der mir über den Weg gelaufen ist. Der Mann war damals 15 und lebte im Nachbarort. Er nahm sich Zeit für mich und zeigte mir die Schauplätze. Später habe ich die Gedenkstätte noch zweimal offiziell besucht.
Mutige Bewohner wollten unnötiges Blutvergießen in Brettheim vermeiden und hinderten die HJ mit der Verteidigung des Ortes. Dies meldeten sie der SS und sie gaben den Verantwortlichen die Möglichkeit, sich zu stellen. Einer konnte fliehen, einer war noch minderjährig, wodurch er glimpflich davonkam und ein mutiger Bauer stellte sich, wohl wissend, dass dies sein Todesurteil war. Da sich der Bürgermeister und der Ortsgruppenführer weigerten, die Todesurteile zu unterschreiben, wurden auch diese standrechtlich zum Tode verurteilt und am Friedhof aufgehängt. Wer sich näher dafür interessiert, möge es bitte googeln oder bei Wikipedia „die Männer von Brettheim“ eingeben.
Der Unterschied zwischen den erst genannten und den Männern von Brettheim ist für mich der, dass Elser und Bonhoeffer lange Zeit im Widerstand aktiv waren und gezielt Widerstand leisteten, während letztgenannte eher zufällig Opfer des mörderischen NS-Regimes wurden, also in ihr Unheil reinschlitterten. Menschen, die in vielen Fällen Hitler ablehnten, aber nicht damit rechnen mussten, irgendwann doch noch am Galgen zu enden. Das totalitäre System hat zum Schluss also noch sein eigenes Volk vernichtet.
An dieser Stelle möchte ich auf das wohl berühmteste Werk von Dietrich Bonhoeffer verweisen:
Dem Theologen war vermutlich schon klar, dass die Tage des NS-Regimes gezählt sind, er die Befreiung aber nicht mehr erleben wird. Bestimmt hat er nicht daran gedacht, in die Geschichte einzugehen, aber ihm war klar, dass diese ihn rehabilitieren wird, da er das richtige getan hat. Und durch seinen tiefen Glauben konnte er seinem nahenden Ton ohne Angst entgegentreten. Georg Elser ging es sicher ähnlich. Er wollte durch seine Tat nie zum Helden werden, er wollte nur das Richtige tun und hat der Welt gezeigt, was ein Einzelner leisten kann. Lasst uns diesen und anderen Märtyrern gedenken und tun wir alles, damit wir nie wieder Helden dieser Art brauchen.
Gerade schaue ich das Jubiläum zu 75 Jahre ARD. In Hinblick auf unsere dunkle deutsche Geschichte, grenzt es an ein Wunder, dass es nur 5 Jahre dauerte, bis wir wieder einen funktionierenden Öffentlich-rechtlichen-Rundfunk haben, der heute ein zentraler Baustein unserer Demokratie ist. Diese Institution wird von innen und außen bedroht. Es bedarf sicher einiger Reformen, aber in seiner Grundfunktion muss er erhalten bleiben.
Marcel Kunz
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