Sonntagsgedanken: Es bedarf keiner prophetischen Gabe

Es bedarf keiner prophetischen Gabe mehr, um der Tatsache ins Auge zu schauen, dass Weihnachten bald vor der Tür steht! „Alle Jahre wieder…“ so besingt ein altes Lied die Ankunft Jesu. Es geht aber auch viel pragmatischer, denn es reicht ein Blick in den Kalender um festzustellen, dass das Fest der Liebe, wie wir es ja oft nennen, nicht mehr auf sich warten lässt. Man kann aber auch einfach nur durch die Fußgängerzonen unserer Städte oder durch die Weihnachtsmärkte schlendern, oder besser gesagt sich treiben lassen, um sicher zu sein: Weihnachten rollt auf uns zu.

Aber es ist erst der dritte Adventsonntag. „Gaudete – Freuet Euch“, so heißt dieser Sonntag. Vorfreude auf das Fest der Geburt Jesu – auf Weihnachten. Sich freuen auf das, was noch aussteht, das aber gewiss kommen wird. „Freuet Euch im Herrn zu aller Zeit“, so schreibt der Apostel Paulus an seine Lieblingsgemeinde in Philippi. Es liegt ihm offensichtlich viel an diesem Aufruf, da er ihn sogar wiederholt. „Noch einmal sage ich: Freut euch.“ Und den Grund nennt er auch: „Der Herr ist nahe“. Die Adventszeit ist ja die Zeit des Wartens auf die Ankunft Jesu. Verändert das auch unser Leben und erfüllt es auch uns mit Freude? Manchmal kommt es mir vor, als ob wir eher vergeblich warten; wir feiern zwar jedes Jahr seine „Ankunft“, aber im Grunde verändert sich nichts. Alles bleibt so wie bisher, und die kurze Festtagsfreude, falls sie überhaupt aufkommt, ist so schnell wieder vorbei wie sie gekommen ist. Doch der Ruf: „Freuet euch im Herrn alle Zeit“ ertönt jedes Jahr aufs Neue. Auch wenn unser Alltag angefüllt – und oft überfüllt – mit Plänen, Terminen, Zielen und Wünschen ist und diesem Ruf keinen Raum lässt. Dieser Ruf ertönt auch wenn Kleinigkeiten und Streitereien uns ärgern und verdrossen machen, wenn wir in unserer eigenen Wichtigkeit oder unserem Selbstmitleid aufgehen, oder wenn uns Lasten auferlegt sind, in der Arbeit, der Familie, der Partnerschaft oder sonst in unserem Alltag. „Freuet euch im Herrn zu aller Zeit!“ Der Ruf gilt allen gleich, ob wir ihn hören oder nicht. Er will uns von der Hektik der vorweihnachtlichen Zeit befreien, damit wir Zeit haben für uns selbst und für andere. „Gaudete! Freuet euch! Denn der Herr ist nahe!“ Noch warten wir auf Weihnachten. Wie kann das Warten in unseren Tagen wieder einen positiven Inhalt bekommen?  Wie können wir wieder dazu kommen, die Zeit der Erwartung als eine schöne, ruhige Zeit zu empfinden? Eine Zeit, die uns geschenkt ist, damit wir uns auf das Erwartete so vorbereiten können, dass wir es genießen können wenn es wirklich eintritt? Die vielen Bräuche des Advents, die uns seit Kindertragen vertraut sind können uns dabei helfen. Advent ist nicht Rückblick auf historisch Vergangenes, sondern meint gegenwärtiges Ankommen Gottes bei mir, in unserem „Heute“. Ich wünsche ihnen noch gesegnete Adventstage.

 

Pfarrer i.R. Winfried Hierlemann Süßen

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