Liebe Leserinnen und Leser,
am Sonntag ist Erntedank. Für mich Anlass, an dieser Stelle ein paar grundsätzliche Überlegungen zum Thema Dankbarkeit anzustellen. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Dieser Satz aus dem 103. Psalm spricht eine christliche Grundhaltung aus: „Vergiss nicht, was dir an Gutem zuteilwurde; erinnere dich, dass Gott dir auch früher schon geholfen hat und vertraue darauf, dass das wieder so sein wird.“, so die Botschaft für Menschen in der Krise.
Und die Glücklichen erinnert der Satz daran, dass sie ihr Glück nicht sich selbst verdanken, dass ihr Erfolg nicht (nur) auf eigener Leistung gründet. Um meine eigene Perspektive zu erweitern, recherchiere ich im Internet und stelle fest: Dankbarkeit als Lebenseinstellung ist längst auch außerhalb des christlichen oder religiösen Rahmens en vogue. Im schönen Portugal kann ich ein Happiness-Seminar besuchen. Mit Dankbarkeit finde ich nach 21 Tagen Workshop zu einem glücklichen und erfüllten Leben. Die Forschung steuert die Erkenntnis bei, dass Dankbarkeit den Blutdruck senken und das Immunsystem stärken kann. In den sozialen Medien werden Urlaubsbilder gerne mit dem Hashtag #grateful (dankbar) versehen. Ist das nun eine gute Sache, weil man sich dessen bewusst ist, dass man sich den Sonnenuntergang am Karibikstrand nicht selbst verdankt? Oder wird hier nur die Zurschaustellung des eigenen Wohlstands mit ein bisschen Bescheidenheit garniert? Und wem wird hier eigentlich gedankt? Dem Universum? Das bleibt offen. Für diese Form der Dankbarkeit gibt es zwar ein Publikum, aber keinen Adressaten. Kann Dankbarkeit egoistisch sein, weil es nur darum geht, das eigene Leben zu verbessern?
Für mich ist das Entscheidende an der Dankbarkeit, dass sie mich vom Kreisen um mich selbst befreit und mich auf Gott hin ausrichtet, dem ich mein Leben und alles, was ich bin und habe, verdanke. Am Erntedankfest machen wir uns bewusst, dass wir Teil der Schöpfung sind und dass sie unsere Lebensgrundlage ist. Wir danken auch den Landwirt/innen, die sie bebauen und bewahren. Mit der Bitte des Vaterunsers „unser tägliches Brot gib uns heute“ wird zugleich an die katastrophale Ernährungssituation in den ärmsten Ländern der Erde erinnert. Danken und Teilen gehören zusammen. Die Naturalien, die für die Erntealtäre gesammelt werden, werden daher meist an die Tafeln weitergegeben, und die Geldspenden kommen ebenfalls sozialen Projekten zugute. Vergiss deine Nächsten nicht!
Pfarrerin Ursula Pelkner, Christuskirchengemeinde Eislingen-Ottenbach