Sonntagsgedanken: Kraftorte

Vor wenigen Wochen machten wir auf der Rückfahrt vom Sommerurlaub Station im Gasthof eines kleinen Klosters in Österreich. Beworben wird dieses Kloster als „Kraftort“. Ich bin oft skeptisch gegenüber solchen Zuschreibungen. Aber dieser Ort hat wirklich etwas Besonderes an sich. Es mag an der Lage liegen – fernab jeder Durchgangsstraße, mitten in der Natur. Es mag die herrliche Waldluft sein. Oder die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt. Vielleicht auch seine Geschichte oder die Burgruine, die über allem thront. „Wahrscheinlich ist es von allem etwas“, so dachte ich zu Anfang.

Das stimmt wohl auch. Und doch ist es noch mehr. Es sind die Menschen dort, die diesen Ort zum „Kraftort“ machen. Die Schwestern, die diesen Ort bewohnen, beleben, bewirtschaften. Ich habe sie immer wieder beobachtet. Nie wirkten sie gehetzt oder gestresst. Immer war da Zeit für ein freundliches Lächeln. Sie interessierten sich für die Gäste, egal ob diese eine Woche bleiben oder nur im Restaurant speisen wollten. Schon im Vorübergehen gaben sie einem das Gefühl, willkommen zu sein. Jedenfalls habe ich es so empfunden.

Es sind Schwestern der „Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul“, die dort leben. Vinzenz von Paul selbst wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Herzlichkeit ist die kleine Münze der Liebe.“ Er nannte sie „kleine Münze“, weil man diese jederzeit ausgeben kann. Und ich glaube, das habe ich dort erlebt: Menschen, die ohne zu zögern die kleine Münze der Liebe austeilen: Herzlichkeit.

Und bevor Sie jetzt fragen: Nein, das hier wird keine Schleichwerbung für einen Gasthof in Österreich. Aber das hier ist Werbung für die „kleine Münze der Liebe“. Wir alle haben sie bei uns und könnten sie austeilen. Wahrscheinlich würden unsere Häuser, Dörfer oder Straßen deshalb nicht gleich so ein besonderer Ort. Vielleicht fehlt dazu ja dann doch die Burgruine, die Waldluft und die Stille. Aber wenn Herzlichkeit unsere Begegnungen prägt, dann verändert sich etwas. Das habe ich dort neu erkannt. Dann werden unsere alltäglichen Orte zu Kraftorten, weil etwas von Gottes menschenfreundlicher Kraft spürbar wird.

Machen wir gemeinsam aus unseren Orten Kraftorte!

Pfarrerin Miriam Springhoff, Evang. Kirchengemeinde Dürnau-Gammelshausen

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