Sonntagsgedanken: Wird uns wieder ein Feiertag gestohlen?

Es ist Samstag und die Geschäfte sind zu, in der heutigen Pandemiezeit wundert man sich darüber nicht. Doch auch die Bänder stehen still, die Apotheken, Drogerien und Einzelhändler sind zu. Was ist passiert. Kaum jemanden fällt es auf. Es ist der 1. Mai. Der Tag der Arbeit. An manchen Orten wird der 1. Mai zum zweiten Mal in seiner Geschichte virtuelle stattfindet. Somit wundert man sich auch nicht über die Menschenmengen mit Fahnen, Transparenten und Lautsprechern auf dem Marktplätzen. Da dieses Mal der 1. Mai auf einen Samstag fällt, rückt es noch weniger in den Blickpunkt, weil viele sowieso frei haben. Aber gestohlen bleiben kann es uns nicht.

Gerade jetzt brauchen wir die Solidarität und die Gemeinschaft die uns hält und wir brauche die unauslöschliche Botschaft des 1. Mai.

Die Corona-Pandemie verschärft die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft noch weiter. Frauen, Schüler*innen und Arbeitnehmer*innen im Niedriglohnbereich sind die großen Verlierer*innen der Pandemie-Einschränkungen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird zur Farce, wenn die Eltern in Homeoffice und die Kinder auch noch in Homeschooling sind. Inzwischen sprechen wir von Dreifach- und Mehrbelastungen vor allem für Frauen und Mütter. Gerade in der aktuellen Situation braucht es auch klare arbeitsfreie Zeiten im häuslichen Umfeld, um Erholungsphasen zu schaffen.

Fehlende Ausbildungsplätze und soziale Ausgrenzung im Schul- und Bildungssystem und nicht zuletzt eine Wirtschaft, die Beschäftigte im Niedriglohnbereich zuerst auf die Straße setzt, treiben immer weiter einen Keil in unsere Gesellschaft.

Wir brauchen jetzt eine Bildungspolitik, die besonders benachteiligte Schüler*innen und Auszubildende unterstützt. Diese Generation darf durch die Pandemie nicht verloren gehen. Die Jugend braucht einen Schutzschirm.

Die großen Gewinner der Pandemie wie Amazon & Co müssen sich stärker an den Kosten beteiligen.

Der Blick ins Johannesevangelium für uns vor Augen, wie Gott sich solidarisch um sein Volk kümmert. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“. Die Gesellschaft, das Volk Israel, wird oft als Weinstock bezeichnet und die Menschen als Rebe. Nicht zufällig muss der Weinberg als Symbol für das Volk Gottes herhalten und Gott selbst ist der Winzer. Einen Weinberg zu benennen, als ein Bild aus der Landwirtschaft ist nicht zufällig gewählt. Den Weinberg zu bearbeiten hat mit viel Arbeit zu tun. Der Winzer sorgt für den Wachstum und das Gedeihen des Weinberges und den Reben.

„Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, …“

So wie wir Christen die Gemeinschaft und die Fürsprache Gottes brauchen, so brauchen wir auch am 1. Mai die Solidarität der Arbeiterschaft und die Führsprache für die Beschäftigten in unsere Gesellschaft. Vor allem die Schwächsten brauchen unsere Solidarität besonders am Tag der Arbeit.

Der 1. Mai darf nicht zu einer einmaligen Kundgebung werden, sondern vielmehr eine Erinnerung daran sein, dass es ein täglicher Kampf ist. Und für uns Christeninnen und Christen ist es ein auf das Wohl der Menschen ausgerichteter Kampf, im Namen Christi, mit dem Heiligen Geist. Diese Solidarität kann uns niemand stehlen, auch nicht, wenn es auf einen Samstag fällt.

Ákos Csernai-Weimer

Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Regionalsekretariat Göppingen

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