In früheren Jahrtausenden gab es viele Krankheiten und was noch schrecklicher war, viele Tode. Wahrscheinlich machte damals jeder in seinem unmittelbaren Umfeld eine solch bedrohliche Erfahrung. Die Menschen waren Krisen gewöhnt. Heute tun wir uns schwer damit. Wenn unsere Grundannahmen über unser Leben infrage gestellt werden, wie: „Ich habe alles im Griff“ sind wir herausgefordert unsere Überzeugungen zu ändern. Vielleicht sind wir nicht immer Herr der Lage. Vielleicht hat jemand anderes oder etwas anderes die Lage im Griff.
Es wurde noch nie so deutlich, wie sehr wir vernetzt und voneinander abhängig sind. Jeder muss seinen Teil beitragen und Verantwortung für die Gesundheit des Anderen übernehmen, besonders des verletzbaren Anderen.
Es wurde noch nie so deutlich, wie wir „ein Leib“ sind, unteilbar. Uns eint unser Menschsein. Das Virus macht keinen Unterschied zwischen Konservativen und Liberalen; zwischen Christen und Moslems,…
- Wenn sich Jugendliche um ihre Großeltern kümmern, für sie und andere Risikogruppen einkaufen,
- wenn Menschen die Angst ihrer Freunde mit Einfühlung und Verständnis begleiten und nicht mit einem Lächeln abtun,
- wenn wir der Versuchung widerstehen, die Schutzmaßnahmen anderer Menschen, Gruppen oder gar Länder schlechtzureden,
- wenn Ärzte, Pflegepersonal, VerkäuferInnen, Paketzusteller,… ihren Job machen und das Risiko eingehen sich anzustecken,
- wenn vollkommen gesunde junge Leute zuhause bleiben, weil sie wissen, dass völlig symptomfreie infizierte Menschen ihre verletzbaren Mitmenschen anstecken können,
… dann wird das „Beste“ in uns Menschen sichtbar.
Die Grundannahme, dass wir alles unter Kontrolle haben, muss ersetzt werden, durch das Faktum, dass wir auf eine höhere Macht angewiesen sind. Ebenso sollte unser Individualismus durch Fürsorge und Gemeinschaftssinn ersetzt werden.
Entscheiden wir uns, Verantwortung füreinander zu übernehmen und vertrauen wir uns dem an, der uns das Leben geschenkt hat.
Josef Priel, Gemeindereferent Seelsorgeeinheit Deggingen-Bad Ditzenbach