Ich war schlecht in Mathe – jedenfalls, als es in der Schule in den höheren Klassen drauf ankam. Aber fürs Zusammenzählen reichte es, man musste ja nur die Summe bilden. Also kann man die Jahre eines Arbeitslebens addieren, kann die erarbeitete Höhe von Rente oder Ruhegehalt (so heißt es bei mir ab dem 1.10.) errechnen lassen und weiß, was gewesen ist und wozu es gut war. Alles schön einsortiert und abgelegt. Schön wär’s! Die Summe, das Fazit will sich so nicht einstellen.
Natürlich kommen einem gemeisterte Aufgaben, erfolgreiche Projekte, Sternstunden von Miteinander und Gelingen in den Sinn. Wo alles oder das Meiste gepasst hat. Wo sich Mühe und Arbeit „gelohnt“ haben. Eine schöne Summe! Aber davon müsste ich wieder abziehen, was nicht gelungen ist, wo ich nicht „gut“ genug war, wo die Kraft nicht gereicht hat oder einfach meine Möglichkeiten und Fähigkeiten zu gering waren. Und dabei hatte ich das Privileg, einen Beruf auszuüben, den ich mir ausgesucht habe und der mich ausgefüllt hat. Was sollen die sagen, die einfach nur schauen müssen, wie sie über die Runden kommen? Die die Wahl nicht hatten? Denen das dann nicht einmal fürs Leben reicht?
Ich zähle also manche Begegnungen auf, beruflich wie privat, manche auf Zeit, manche auf Dauer. Lege dazu, was erfüllend und lebendig und was schwierig war. Sehe die Spuren, die andere bei mir hinterlassen haben und Spuren, die ich vielleicht hinterlassen habe. Spüre Dank und habe manche Fragen: warum das ein oder andere nicht gelungen ist? Was ich hätte besser machen können – und was eben so war, wie es war. Und dann auch so bleibt.
Ich scheitere – beim Zusammenzählen, beim Fazit des (Berufs)lebens. Und ich merke: das ist gut so. Weil mein, unser Leben mehr ist als die Bilanz, die wir ziehen. „Es ist noch nicht offenbar, was wir sein werden“ steht in der Bibel (1 Joh 3,2). Ja, da steht noch etwas aus: Ja, da ist mehr als Geleistetes aus eigener Kraft. „Gottes Kinder sind wir schon“ fährt die Bibel weiter fort. Das zählt statt der Zahlen. Leben wir oder zählen wir?
Pfr. Hannes Gaiser
Evangelische Kirchengemeinde Göppingen, Pfarramt Nord– Stadtkirchengemeinde Oberhofen