Faktencheck zu Lidls Einweg-Kampagne: Discounter kann Kritik der Deutschen Umwelthilfe nicht widerlegen 

  • Discounter geht nicht auf Materialverluste bei Recyclingprozessen ein und bestätigt Verwendung alter Mehrwegdaten
  • Nachteilige Studienergebnisse bleiben nach wie vor in TV-Spots und auf Werbeplakaten unerwähnt
  • DUH fordert von Bundesumweltministerin Lemke im Koalitionsvertrag festgelegte Mehrwegförderung durch eine Zusatzabgabe auf Einweg

 

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht ihre Kritik an Lidls Einweg-Kampagne durch einen vom Discounter vorgelegten Faktencheck bestätigt. Der Konzern bewirbt derzeit mit großem Aufwand eine behauptete Umweltfreundlichkeit seiner Einweg-Flaschen. Die DUH kritisiert die Kampagne des Discounters, weil Lidl für sich nachteilige Studienergebnisse in TV-Spots und auf Werbeplakaten verheimlicht, einen verzerrten Vergleich zwischen Einweg mit aktuellen und Mehrweg mit alten Daten vornimmt und einen geschlossenen 100-Prozent-Materialkreislauf vortäuscht, der so nicht existiert. Zudem kann das Lidl-Recyclingsystem nicht auf andere Unternehmen und schon gar nicht den gesamten Markt übertragen werden. Auf diese Kritik reagierte Lidl mit einem eigenen Faktencheck, in dem die Kritikpunkte der DUH nicht widerlegt, sondern im Gegenteil sogar bestätigt wurden.

DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz: „Lidl bestätigt, dass seine eigene in der Ökobilanzstudie betrachtete 0,5 Liter Einweg-Plastikflasche aus 100 Prozent Recyclingmaterial ökobilanziell schlechter als Mehrweg abschneidet. In den vielen Werbespots und auf den Plakaten erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher aber nichts davon. Es hilft auch nicht, dass Lidl als Erklärung nun auf Texte im Internet verweist. Den sehen die Leute ja nicht, wenn sie vor Plakaten stehen oder im Fernsehen Werbesprüche von Günther Jauch hören. So wird der Eindruck erweckt, als wäre Einweg ganz grundsätzlich ökologisch und das ist nicht der Fall. Umweltministerin Steffi Lemke ist gut beraten, sich nicht beirren zu lassen und die im Koalitionsvertrag vereinbarte Förderung von Mehrweg umzusetzen. Der geeignete Weg ist die Einführung einer Abgabe von 20 Cent auf Einweg-Plastikflaschen zusätzlich zum Pfand.

Laut der von Lidl beauftragten Ifeu-Ökobilanz weist die 0,5 Liter Einweg-Plastikflasche von Lidl aus 100 Prozent Recyclingmaterial im Vergleich mit einer 1,0 Liter PET-Mehrwegflasche bei zehn von 13 betrachteten Umweltbewertungskriterien Nachteile auf. Im Vergleich mit einer 0,7 Liter Glas-Mehrwegflasche sind es Nachteile bei acht von 13 Bewertungskategorien.

Lidl hat zudem in seinem eigenen Faktencheck bestätigt, dass in der Ökobilanzstudie „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Denn Lidl hat sich nachweislich mit seinem spezifischen Einweg eben nicht mit Top-Performern im Mehrwegbereich verglichen, sondern mit den durchschnittlichen Branchendaten des Mehrwegsystems und sich offenkundig dadurch vorteilhaftere Vergleichsdaten erhofft. Ebenfalls wichtig zu wissen: Für das Einwegsystem wurden Daten aus dem Jahr 2021/22 verwendet und für Mehrweg teils mehr als zehn Jahre alte Daten. So bestätigt Lidl, dass für Umlaufzahlen und Transportentfernungen von Mehrwegflaschen keine aktuellen Daten erhoben worden sind, sondern solche aus dem Jahr 2013 verwendet wurden.

Auf den Kritikpunkt der DUH, dass von Lidl ein geschlossener 100-Prozent-Materialkreislauf vorgetäuscht wird, ging der Discounter in seinem Faktencheck gar nicht ein. „Tatsächlich gibt es bei jedem Recyclingvorgang einen Materialschwund zwischen zwei bis fünf Prozent – also Plastik, das verloren geht und aus anderen Quellen ersetzt werden muss. Ohne eine Auffrischung mit Neumaterial stünde nach einer gewissen Zeit gar kein ursprüngliches Recyclingmaterial mehr zur Verfügung. Das passt nicht in das Öko-Image, dass sich der Discounter selbst verpassen möchte und deshalb wird dazu einfach geschwiegen“, sagt der DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Thomas Fischer.

Die Autoren der Lidl-Studie betonen selbst, dass der vom Discounter beworbene Ansatz von Einweg-Plastikflaschen aus 100 Prozent Recyclingmaterial nicht auf die gesamte Getränkebranche und andere Unternehmen übertragen werden kann. Tatsächlich beträgt der durchschnittliche Einsatz von Recyclingmaterial zur Herstellung von Einweg-Plastikflaschen branchenweit deutlich weniger als die Hälfte. Dass Lidl in seinem Faktencheck plötzlich doch von einer Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf andere Unternehmen und die gesamte Branche spricht, steht den Aussagen der Studienersteller und denen der Experten des Critical Reviews diametral entgegen und ist nicht glaubwürdig.

Die Umweltvorteile regionaler Mehrwegflaschen werden mit der zunehmenden Dekarbonisierung des Transportverkehrs künftig massiv nach oben schnellen im Vergleich zu Einweg-Plastik. Lidl führt in seinem Faktencheck an, dass die E-Mobilität sich ebenso positiv auf die LKW-Fahrten von Einwegflaschen auswirken würde, verschweigt aber, dass in der eigenen Lidl-Studie belegt wird, dass elektrifizierte LKW mit Grünstrom bei Mehrweg das Ergebnis viel stärker verbessern würden als im Vergleich zu Einweg. Denn die Hauptumweltlasten von Mehrweg resultieren aus der Logistik und Spülung und bei Einweg aus der Ressourcenbereitstellung sowie Produktion. Insgesamt kann festgehalten werden, dass es bei Lidl kaum noch Spielraum für weitere Verbesserungen gibt. Mehrweg kann hingegen durch Innovationen bei der Flaschenspülung und Logistik sein gutes Ökobilanzergebnis noch viel besser werden lassen. Plastikflaschen bleiben, trotz der von Lidl initiierten Kampagne, was sie schon immer waren: eine insgesamt unökologische Einwegverpackung.

Links:

PM Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)

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