Aus Sicht der Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg bleibt trotz der leicht verbesserten Beschäftigungssituation in den Südwestunternehmen die Lage am Arbeits- und Fachkräftemarkt angespannt. „Es wurden von Politik und Verwaltung noch nicht die erforderlichen Maßnahmen angegangen, damit Betriebe ihren Fachkräftebedarf annähernd decken können“, sagt Marjoke Breuning, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) und fordert eine intensivere Berufsorientierung an Schulen, mehr Kinderbetreuungsplätze sowie höhere Flexibilität bei Arbeitszeitenregelungen, etwa bei mobilem Arbeiten. Bei der Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland müsse Bürokratie abgebaut werden.
Der Fachkräftemangel trifft vor allem von der Corona-Pandemie stark betroffene Branchen wie Einzelhandel und Gastgewerbe. Im krisengebeutelten Einzelhandel sind die Beschäftigungserwartungen wieder pessimistischer. Allein im Ballungsraum Stuttgart erwarten 28 Prozent der Unternehmen eine sinkende Beschäftigtenzahl. Das liegt vor allem am fehlenden Personal, das während der Corona-Pandemie und den einhergehenden Lockdowns in krisensichere Branchen gewechselt ist. Der Fachkräftemangel wird bei Unternehmen in der Region Stuttgart mit 70 Prozent Nennungen besonders häufig als Geschäftsrisiko im Vergleich zur Gesamtwirtschaft (65 Prozent) genannt. Auch das Hotel- und Gaststättengewerbe leidet unter Fach- und Arbeitskräftemangel. Hier sehen 80 Prozent der Unternehmen in der Region Stuttgart den Fachkräftemangel als wirtschaftliches Risiko.
„Wir sehen durch den Fachkräftemangel wichtige Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz und Digitalisierung in Gefahr“, warnt Breuning. Die Betriebe befänden sich mitten im Transformationsprozess, dafür seien die richtigen Fachkräfte unabdingbar. „Die Politik muss jetzt ihre Hausaufgaben machen und die Berufliche Bildung noch attraktiver gestalten. Vor allem aber muss sie bei der Berufsorientierung den Turbo einlegen“, fordert Breuning. „Wir erwarten aber auch, dass Kita-Ausbau und Ganztagsbetreuung an Schulen schneller vorangetrieben werden.“ Würden die mehr als eine Million in Teilzeit arbeitenden Frauen in Baden-Württemberg jedes Jahr wöchentlich nur eine Stunde mehr arbeiten, entspräche dies jährlich mehr als 30.000 Vollzeit-Beschäftigten im Südwesten, rechnet Breuning vor. „Damit das gelingen kann, müssen wir die Betreuungssituation deutlich verbessern. Damit wäre ein erheblicher Teil des Fachkräfteproblems gelöst.“
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag