Wie jedes Jahr wandert zu Beginn der Streuobsternte der bange Blick der Streuobstbewirtschafter auf den Mostobstpreis – auch in Baden-Württemberg mit den größten Streuobstbeständen in Deutschland. Die gute Ernte 2020 trifft auf verunsicherte Verarbeiter. So senkte vergangene Woche der erste große Mostobsterfasser am Bodensee seine vertraglich vereinbarten Bio-Erzeugerpreise. Er argumentiert mit Absatzproblemen durch Corona, der hohen Bio-Obstmenge und der Konkurrenz aus dem Ausland. Trotzdem kommen einige Verarbeiter weiterhin ihrer Verantwortung nach und zahlen die bisher üblichen 20 Euro/dt oder sogar mehr.
Die Ernte beginnt und die Keltereien öffnen ihre Tore. Der Verband der deutschen Fruchtsaftindustrie (VdF) rechnet in diesem Jahr mit einer guten Ernte, vor allem in Süddeutschland. Allerdings kämpfen einige Mostobsterfasser mit den Folgen der Corona-Krise. Vor allem die Lieferungen an das Gast- und Messegewerbe bzw. Reiseunternehmen fallen weg.
Sinkende Bio-Preise
Streuobstwiesenbewirtschafter berichten von sinkenden Erzeugerpreisen für Bio-Mostobst. Der erste große Abnehmer von Mostobst am Bodensee passte vergangene Woche seine Lieferverträge an und zahlt nur noch 17 Euro/dt anstelle der geplanten 20 Euro/dt. Weitere Keltereien in Baden-Württemberg sind über diesen plötzlichen Preisrückgang zu Beginn der Saison verwundert, haben teilweise wie im Großraum Stuttgart aber bereits nachgezogen. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wie die weiteren Verarbeitungsunternehmen darauf reagieren. Martina Hörmann, Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Hochstamm Deutschland e.V. bewertet dies als falsches Signal und verweist auf die harte Arbeit der Streuobstwiesenbewirtschafter und den zunehmenden Pflegerückstand in den Wiesen: „Ein Preisrückgang – egal ob im biologischen oder konventionellen – Streuobstbereich gefährdet den Erhalt der Streuobstwiesen.“ Der Preis für konventionelles Mostobst liegt je nach Region im Bereich zwischen 5,50 und 7 Euro/dt und ist damit vergleichbar zum Vorjahresniveau. Auch die Qualität unterscheidet sich je nach Erzeugungsgebiet. In manchen Regionen ist diese sehr gut, andere Streuobstbewirtschafter kämpfen mit den Folgen der Trockenheit. Trotz dieser Meldungen von Preisrückgängen kommen einige Verarbeiter weiterhin ihrer Verantwortung nach und zahlen die bisher üblichen 20 Euro/dt oder sogar mehr.
Mehr Bio aus dem Inland und Polen
Vor allem zwei Gründe führen zu den Spannungen insbesondere am Bio-Mostobstmarkt: In den letzten Jahren unternahmen Keltereien, Initiativen und Vereine große Anstrengungen, sich die Rohware bei Bio-Streuobst zu sichern. So schlossen beispielsweise Verarbeiter von (Bio-)Streuobst am Bodensee 2019 noch 5-Jahres-Verträge mit Lieferanten bis in die Region Heilbronn in rund 200 km Entfernung ab. Für Bio-zertifiziertes Streuobst wurden Preise von bis zu 20 Euro/dt vereinbart. Als Folge dieser massiven Flächenausweitung der Bio-Streuobstfläche gerät der Absatzmarkt unter Druck. Hinzu kommt die stark wachsende Konkurrenz aus dem Ausland. Vor allem in Polen tragen immer mehr Plantagenbäume Bio-Obst. Es handelt sich dabei zwar nicht ausdrücklich um Streuobst, allerdings tritt polnischer Bio-Direktsaft in direkte Konkurrenz zu Bio-Streuobstsaft. Die polnischen Erzeuger rüsten laut dem Verband der agrargewerblichen Wirtschaft auf und liefern nun neben Konzentrat auch Direktsaft.
Wie der Preis für Mostobst zustande kommt
Im Bio-Streuobstbereich vereinbaren die Abnehmer meist vertraglich einen festen Preis für die angelieferte Ware. Somit rechnen die Streuobstbewirtschafter über mehrere Jahre mit einer sicheren Bezahlung des Obstes, außer der Vertrag wird angepasst. In den letzten Jahren lag der Bio-Preis meist um 20 Euro/dt. Konventionelles Streuobst ist selten vertraglich geregelt. Die Keltereien und Verarbeiter steigen mit ihren individuellen Einstiegspreisen zu Beginn der Saison in den Markt ein. Je nach Marktlage, Preise der Konkurrenten und Obstangebot bzw. steigender Obstqualität im Laufe der Saison passen die Abnehmer ihren Preis an. Die Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) in Schwäbisch Gmünd gibt außerdem regelmäßig eine Notierung für Mostobst vom Bodensee heraus. Nach dem aktuellen Stand liegt die Notierung der LEL bei 14 Euro/dt.
Gerne nehmen wir Ihre Informationen zu den aktuellen Entwicklungen am Mostobstmarkt in Deutschland entgegen (kontakt@hochstamm-deutschland.de)
Hintergrundinformationen: Verein Hochstamm Deutschland e.V.
Hochstamm Deutschland e.V. ist ein gemeinnütziger, bundesweit tätiger Verein mit Sitz in Baden-Württemberg, der sich für den Erhalt von Streuobstwiesen einsetzt. Hinter Hochstamm Deutschland stehen unter anderem Streuobst-Initiativen, Kommunen, Verbände und Privatpersonen.
Ziel des Vereins ist es, Streuobstwiesenfreunde dabei zu unterstützen, den verbliebenen Bestand zu erhalten. Sie finden auf der vereinseigenen Homepage (www.hochstamm-deutschland.de) in Zukunft eine Plattform, um Wissen auszutauschen und sich zu vernetzen. Hochstamm Deutschland will sich auch dafür einsetzen, dass die zeit- und arbeitsintensive Pflege einer Streuobstwiese nicht nur Herzensangelegenheit ist – mit Vermarktungswegen und -ideen, die eine wirtschaftliche Grundlage für den Anbau auf Hochstamm-Streuobst schaffen.
Zudem ist der Verein aktuell mit der Beantragung von Streuobst als Immaterielles Kulturerbe befasst, um so Streuobst vermehrt in den öffentlichen Fokus zu rücken und dadurch dazu beiztragen, die Natur sowie die Streuobstkultur und das damit verbundene Wissen zu erhalten.
PM Verein Hochstamm Deutschland e.V.