Das Recht auf vertrauliche Beratung darf nicht dem Demonstrationsrecht geopfert werden

Die Bundesregierung muss ihre selbst gesetzten Ziele aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und Ratsuchende vor Belästigung vor den gesetzlich anerkannten Beratungsstellen schützen.

Aktuell versammeln sich wieder Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung mit Plakaten und Holzkreuzen zu Belagerungen unmittelbar vor dem Eingang von Schwangerschaftsberatungsstellen. Sie verletzen Persönlichkeitsrechte der Klient*innen und beeinträchtigen die Beratung. Dies ist möglich, weil Gerichte das Demonstrationsrecht höher bewerten als das Recht, unbehelligt und ohne psychischen Druck eine Beratung aufzusuchen. Was fehlt, ist eine einheitliche rechtliche Handhabe gegen diese Belagerung. pro familia fordert die Bundesregierung auf, das angekündigte Gesetz gegen die sogenannte ‚Gehsteigbelästigung‘ so schnell wie möglich einzuführen, um weitere Einschränkungen zu verhindern.

In den letzten Jahren nehmen die Belagerungen von Schwangerschaftsberatungsstellen zu. Die Protestierenden nennen ihre Aktionen „Mahnwachen“: Schwarzgekleidete Menschen, teils mit großen Holzkreuzen, die laut beten, singen und Schilder mit religiösen Motiven und mit der Aufschrift „Ich will leben“ vor sich tragen. Dies schafft eine sehr eindringliche und bedrohliche Atmosphäre.

„Die regelmäßige Präsenz der Abtreibungsgegner*innen vor der Beratungsstelle ist für unsere Mitarbeitenden eine psychische Belastung“, erklärt Beate Martin, Leiterin der pro familia Beratungsstelle in Münster. Dort stehen die Demonstrant*innen einmal im Monat vor der Tür, das ganze Jahr lang. „Auch die Beratung selbst wird gestört“, ergänzt ihre Kollegin, die Schwangerschaftsberaterin Barbara Wittel. „Ungewollt Schwangere und andere Hilfesuchende auf dem Weg zu einer Beratung nehmen die Präsenz als verstörend und unangenehm wahr. Sie können sich nicht der Beeinflussung und der Konfrontation mit Abtreibungsgegner*innen entziehen. Von einer neutralen Beratungssituation, wie sie den Frauen gesetzlich zusteht, kann dann nicht mehr gesprochen werden.“

In anderen Städten, wie zum Beispiel in Frankfurt am Main, werden die Beratungsstellen zweimal im Jahr 40 Tage lang belagert. Für die Leiterin der Beratungsstelle Frankfurt, Claudia Hohmann, eine unzumutbare Situation: „Nun ist ja das siebte Jahr der Belagerung unserer Beratungsstelle angebrochen und man könnte sich an das wiederkehrende Szenario gewöhnen. Im Namen unserer Klient*innen können und wollen wir das aber nicht tun. Nach einjähriger Atempause 2021/2022, in der die Belagerer an einer anderen Stelle stehen mussten, dürfen Sie nun wieder wie gehabt unsere Klient*innen direkt mit ihren Plakaten und lautstarken Gebeten konfrontieren. Damit ist nach richterlichem Urteil gestattet, der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung den Stempel von externer Beobachtung, Verunsicherung und schlechtem Gewissen aufzudrücken. Dieses Szenario ist geeignet, Frauen nachhaltig zu destabilisieren oder sogar von einer Beratung abzuhalten. Wir kämpfen deshalb dafür, dass dies nicht so bleibt und sind dankbar für jede Unterstützung aus der Politik und der Zivilgesellschaft.“

pro familia setzt sich für die Einrichtung von Schutzzonen vor Schwangerschaftsberatungsstellen ein. „Der geschützte und unbehelligte Beratungsrahmen ist für Menschen, die die psychosoziale Beratung aufsuchen, zentral“, erklärt die Bundesvorsitzende Monika Börding. „Wird dieser Rahmen nicht durch ein bundesweit geltendes Gesetz abgesichert, steht das Vertrauen in die Beratung auf dem Spiel. Es ist Aufgabe der Bundespolitik, das Persönlichkeitsrecht der Ratsuchenden zu schützen, und zwar bundesweit.“

pro familia ist der führende Verband für Sexualität und Partnerschaft in Deutschland. Der Bundesverband wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziell gefördert.

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PM pro familia Bundesverband

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