Offener Brief des ökumenischen Palästina-Partnerschafts-Teams der evang. Kirchengemeinde Eschenbach-Heiningen

Selbstverständlich werden wir Andersgläubige achtungsvoll dulden, ihr Eigentum, ihre Ehre und Freiheit mit den härtesten Zwangsmitteln schützen.

Tagebucheintrag Theodor Herzls, einer der Väter des Staates Israel, vom 12. Juni 1895, S. 98

Sehr geehrter Herr Landesbischof July,

unser friedlicher Ort Heiningen ist eine lebendige Voralbgemeinde. Unter dem Dach der beiden Kirchen haben sich ökumenische Gruppen gefunden, beispielsweise zur Gestaltung von monatlichen Friedensgebeten, der Friedensdekade im November und seit über 30 Jahren im ökumenischen Asylkreis. Die Kirchen leben eine verantwortungsbewusste Ökumene, die vom Völkermord an sechs Millionen Juden zutiefst betroffen und ergriffen sind und es bleiben. Wir fühlen uns deshalb den Menschenrechten und der Friedensarbeit verpflichtet.

Seit einem Gottesdienst im Jahr 2016, mit Gästen aus dem CVJM Ostjerusalem, gestalten wir eine ökumenische Partnerschaft mit dem CVJM Ostjerusalem. Durch den Austausch von Nachrichten, durch Gebet und Begegnungsreisen sind wir christlichen Palästinenser*innen und ihrer Bildungs-, Sozial- und Genderarbeit an arabischen Jugendlichen und ihren Eltern nahegekommen.

Mit großer Erschütterung lesen wir die aktuellen Nachrichten unserer Partner in den besetzten Gebieten.

Die Waffengewalt eskaliert. In gemischt bewohnten Städten gibt es neben gemeinsamen, jüdisch-arabischen Friedenskundgebungen leider auch Gewaltexzesse.

Hardliner auf beiden Seiten befeuern den Konflikt. Der israelische Premierminister verlor seine Reputation und sucht den Machterhalt in einer die Menschenrechte verachtenden Politik mit ultrarechten Partner*innen. Auch mit deutschen Waffen hochgerüstetes Militär und die Polizei sichern die Siedlungspolitik, die Kriminalisierung und Vertreibung von nichtjüdischen Einwohner*innen, die Zerstörung ihres Eigentums und die Behinderung ihres Zugangs zu Gesundheit, Bildung und zu den traditionellen Zentren der Religion in Ostjerusalem; für Muslime z.B. im Ramadan 2021 und für orthodoxe Christen z.B. anlässlich ihres Osterfestes 2021.

Unsere Partner*innen berichten von historischen Vertreibungen ab Mai 1948, von wachsender Willkür des Staates Israel und von zweierlei Recht, von korrupten palästinensischen Führungspersonen und deren Verweigerung von Wahlen.

Hinzu kommt die Gewalt durch vom Ausland unterstützte, gewaltbesessene Kampftruppen einer radikalisierten Muslimbruderschaft in Gaza. Sie haben die bettelarme und völlig unterversorgte Zivilbevölkerung Gazas sich selbst überlassen und stattdessen aufgerüstet und jetzt israelische Städte angegriffen. Es gibt Tunnel für den Waffenhandel, aber keine Bunker für die Zuflucht der Zivilbevölkerung vor dem Bombardement des israelischen Militärs.

Allzu oft werden Ursache und Wirkung in unseren Medien und in den Statements der politisch Verantwortlichen verschleiert. Kritik an der Politik der israelischen Regierung, auch von Jüdinnen und Juden geäußerte, wird mit dem überaus schändlichen Antisemitismus der Feinde jüdischen Lebens in Deutschland und in aller Welt gleichgesetzt. Dabei wäre es dringend notwendig, antisemitische und rassistische Gesinnungen, daraus erwachsende verbale u.a. Gewalt innerhalb der politischen Strukturen und auf unseren Straßen zu analysieren und Programme zu schaffen sie zu überwinden. Wir sind ein multireligiöses Land!

Unsere Brüder und Schwestern in der arabischen Zivilgesellschaft Israel / Palästinas fühlen sich von Gott und der Welt und von den europäischen Schwesterkirchen verlassen. Ihre Schilderungen und ihre Verzweiflung bewegen uns zu diesem Schreiben.

Bitte setzen Sie sich für jüdisches und arabisches Leben in Frieden ein,

– dass Antisemitismus und Rassismus in Deutschland erforscht und mit angemessen finanzierten Programmen überwunden werden,

– dass Ursache und Wirkung des unendlichen Konflikts im „Heiligen Land“ benannt werden,

– dass Deutschland keine Waffen in den Nahen Osten liefert und

– dass der Staat Israel angespornt wird, ein Recht für alle Bevölkerungsgruppen zu proklamieren und umzusetzen.

e-mail: ev-pfarramt-heiningen@t-online.de homepage: www.ev-kirchengemeinde-heiningen.de

 

Mit freundlichen Grüßen,

Pfr. Reinhard Hauff Linde Janke, Vorsitzende des Kirchengemeinderates

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