Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ein schwieriges Jahr geht zu Ende. Es war ein Jahr zwischen Hoffen und Bangen. Und noch immer hält uns die Corona-Pandemie in Atem.
Zu diesem Jahr passt ein Gemälde des Malers Hans Baldung Grien, der in Schwäbisch Gmünd geboren wurde. Es ist ein sprechendes Bild für das zu Ende gehende Jahr und zeigt Christi Geburt. Anders als auf vielen Weihnachtsbildern gibt es hier kein heiteres und ausgelassenes Familienidyll. Stattdessen viel Dunkelheit, ein nachdenklicher Josef und ein blasses, sehr ernst dreinschauendes Kind. Nur Maria bringt ein sachtes Lächeln zustande angesichts des Lichts, der Hoffnung, die doch eigentlich von der Geburt Jesu ausgeht.
Die Corona-Pandemie hat viel Leid über die Menschen gebracht. Sie hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt. Wir mussten lernen, mit Unsicherheit und Widersprüchlichkeiten zu leben. Mit Einschränkungen für uns alle. Mit großen Belastungen – gerade für die Familien. Mit Angst um die eigene Gesundheit und um die von Menschen, die uns nahestehen. Mit Sorgen um den Arbeitsplatz oder das eigene Unternehmen. Und mit der Trauer um Angehörige, die dem Virus zum Opfer gefallen sind.
Aber wie Christen an Weihnachten das Licht feiern, das mit der Geburt Jesu ins Dunkel kommt, so gibt es für uns alle auch Zeichen der Hoffnung. Die allermeisten Menschen sind achtsamer geworden, sorgen füreinander und handeln verantwortungsvoll. Die Bürgerinnen und Bürger halten in der Krise zusammen. Menschen machen einander Mut. Wir konnten sehen, dass wir eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. Und ein wohlgeordnetes Gemeinwesen, auf das wir uns verlassen können. Unsere Wissenschaftler haben in kürzester Zeit einen wirkungsvollen Impfstoff entwickelt.
Doch auch die Sorge bleibt. Denn das Virus ist stärker denn je. Die Infektionszahlen sind zuletzt wieder stark angestiegen. Viele Menschen erkranken schwer und die Krankenhäuser sind in einer schweren Belastungsprobe. Deswegen haben die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin einen scharfen Lockdown beschlossen. Wir müssen die Kontakte so weit einschränken, dass die Zahl der Neuinfektionen stark fällt. Sie müssen wieder unter 50 pro 100.000 Einwohner in der Woche sinken. Nur dann können die Gesundheitsämter die Neuansteckungen nachverfolgen. Und nur mit Hilfe dieser Nachverfolgung können angesteckte Personen so früh gewarnt werden, dass sie das Virus nicht unbewusst weitertragen. In vielen Landkreisen haben wir heute jedoch 200 oder sogar 300 Neuansteckungen. Das ist viel zu viel.
Jetzt kommt es auf jede und jeden einzelnen von uns an. Ich möchte Sie bitten mitzuhelfen. Halten Sie die Regeln ein. Ihr persönliches Handeln kann ein Beitrag sein, um großen Schaden von uns allen abzuwenden. Denn Corona kann jeden treffen. In den Intensivstationen kämpfen auch viele jüngere Menschen mit dem Tod.
Bitte denken Sie daran, dass die Regeln nicht nur Buchstaben sind. Sie haben auch einen Geist. Denn man muss nicht alles tun, was erlaubt ist. Suchen Sie nicht nach Schlupflöchern, sondern schließen sie diese eigenverantwortlich. Je mehr wir unsere Kontakte einschränken, desto mehr Sicherheit schaffen wir für uns und unsere Mitmenschen.
In wenigen Tagen können die Impfungen beginnen. Das lässt uns auf ein Ende der Pandemie hoffen. Wir arbeiten mit Hochdruck an den Vorbereitungen. Was mich dabei besonders berührt hat: Über 5.000 Medizinfachkräfte haben sich bei uns gemeldet, um freiwillig mitzuhelfen. Das ist gelebter Zusammenhalt.
Das Weihnachtsfest wird in diesem Jahr wird ganz anders sein als wir es gewohnt sind. Denn in der Pandemie bedeutet körperliche Nähe immer die Gefahr, sich selbst oder andere mit dem Virus anzustecken. Weihnachten können wir deshalb nur im allerengsten Kreis feiern. Große Familienfeiern, ausgiebige Besuche bei Verwandten und Freunden sind dieses Mal leider nicht möglich. Und auch auf manche schöne Tradition werden wir dieses Jahr verzichten müssen – oder sie wird zumindest anders aussehen. Nicht nur die Weihnachtsmärkte sind ausgefallen. Auch Gottesdienste können nur eingeschränkt besucht werden – mit Mundschutz, mit Abstand und ohne gemeinsamen Gesang.
Das alles stimmt uns nachdenklich und manchen sicherlich auch traurig. Denn als Menschen sind wir nun mal gesellige Wesen. Wir brauchen das Miteinander und die Gemeinschaft mit anderen. Doch die Alternativen wären furchtbar. Ein normales Weihnachten würde uns in diesem Jahr in den Gesundheitsnotstand führen. Wir sehen, was nach Thanksgiving, dem großen Familienfest in den USA, geschehen ist. Deshalb sind die Einschränkungen so wichtig, auch wenn sie uns alle schmerzen.
Ich denke an diesem Weihnachtsfest besonders an all jene, die arbeiten müssen, um einen wichtigen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten. Vor allem an die Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte, die um die Gesundheit und das Leben der Corona-Patienten ringen. Sie haben unsere Dankbarkeit, unseren Respekt und alle erdenkliche Unterstützung verdient.
Das Virus ist stark. Aber ich bin überzeugt: Gemeinsam sind wir stärker. Wenn wir zusammenhalten, aufeinander achtgeben und uns an die Corona-Schutzmaßnahmen halten, werden wir auch die zweite Welle brechen.
Und so wünsche ich Ihnen ein gutes und ermutigendes Weihnachtsfest und gesunde Feiertage,
Ihr Winfried Kretschmann