US-Studie der Stanford University in Kalifornien (USA) ist für die deutsche Fitnessbranche nicht repräsentativ – Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf Deutschland ist fragwürdig

Am 10. November 2020 wurde durch die Stanford University in Kalifornien (USA) eine Studie zum Covid-19 Infektionsgeschehen publiziert, die in den deutschen Medien sowie der Fitness- und Gesundheitsbranche zu Irritationen führt. Während EuropeActive in einer aktuellen Studie ein sehr niedriges COVID-19-Infektionsrisiko in Fitnessstudios feststellt, zeigt die jüngst erschienenen Studie um den Stanford-Wissenschaftler Jure Leskovec gänzlich gegensätzliche Ergebnisse. Verschiedene Medienberichte interpretieren die Stanford-Studie dahingehend, dass „das größte Corona-Risiko von Restaurants und Fitness-Studios ohne Hygieneregeln ausgehe“. Von derart pauschalen Schlussfolgerungen sollte Abstand genommen und die Daten differenziert betrachtet werden.

In Zusammenarbeit mit der DHfPG und dem Fachmagazin fitness MANAGEMENT (offizielles Organ DSSV e.V.) wurde die Studie näher betrachtet und schränkt die Aussagekraft für den deutschen Raum, insbesondere die Fitness- und Gesundheitsbranche, aus mehreren Gründen stark ein:

Die Vergleichbarkeit zwischen US-Metropolen und dem deutschem Gesamtmarkt ist schwierig
Im Rahmen der Stanford-Studie wurden mobile Handy-Daten von 98 Millionen US-Bürgern in 10 der größten Metropolen wie New York, Los Angeles, Chicago ausgewertet und hinsichtlich des Corona-Ansteckungsrisikos analysiert. Betrachtet wurden hierbei kleinere Nachbarschaftsgruppen (geographische Einheiten), jeweils also Gruppen zwischen 600 und 3.000 Personen und die Orte, die sie (wann und in welcher Dauer) aufsuchten; hierbei wurden Fitnessanlagen als Einheit betrachtet, was dazu führt, dass die Aussagekraft der Ergebnisse relativiert wird.

Eine fehlende Differenzierung nach Anlagentypen und Trainingsart
Im Rahmen der Studie wurde beispielsweise nicht unterschieden, um welche Art eines Studios es sich handelt und welches Training absolviert wurde, z. B. individuelles, gerätegestütztes Krafttraining in einem Großraumstudio auf mehreren 1.000 Quadratmetern Fläche oder ein Spinningkurs, in dem auf kleiner Fläche mit vielen anderen Trainierenden ein hochintensives Workout absolviert wird. Derartige Faktoren aber sollten in ihrem Einfluss auf das Infektionsgeschehen nicht unberücksichtigt bleiben, um verlässliche Aussagen abzuleiten.

Aus Untersuchungen von ClubIntel sowie vielen anderen Studien ist bekannt, dass gerade in den US-Amerikanischen Metropolen genau diese kleinflächigen Boutique-Konzepte eine sehr weite Verbreitung finden. Da in der Studie weder Anlagentyp noch die Aktivität oder die Umfeld-Bedingungen betrachtet wurden, ist die Vergleichbarkeit mit der deutschen Fitness- und Gesundheitsbranche nur bedingt gegeben, womit auch die Aussagekraft der Ergebnisse für den deutschen Raum insgesamt in Frage gestellt werden muss.

Der Einfluss entwickelter Hygienekonzepte wurde nicht berücksichtigt
Eine weitere methodische Einschränkung ergibt sich aus dem Betrachtungszeitraum der Studie: Erfasst wurden Daten im Zeitraum vom 1. März bis 2. Mai 2020. Weiterführende Ergebnisse stützen die Forscher ausschließlich auf Modellsimulationen. In Deutschland haben die Fitnessstudios seit der Wiedereröffnung nach dem ersten Lockdown im Frühsommer strenge Hygienekonzepte erarbeitet und umgesetzt. Im Untersuchungszeitraum der Studie waren diese Konzepte, sofern überhaupt vorhanden, weitaus weniger ausgereift als sie es jetzt sind, sodass die Daten vor diesem Hintergrund verzerrt sind. Die Simulation auf Basis der vor Etablieren von Hygienekonzepten erhobener Daten hat somit wenig Aussagekraft für die aktuelle Situation in den USA, die ebenfalls Hygienekonzepte umsetzen und noch weniger für die deutsche Fitness- und Gesundheitsbranche, die immens in die Bereiche Sicherheit und Hygiene Investiert hat.

Die Simulation liefert kein aktuelles Bild
Die Studie postuliert, dass bestimmte öffentlich zugängliche Bereiche, sogenannte „Points of Interest“, im März stärker zu Infektionen beigetragen haben als andere, und bei diesen geht man davon aus, dass sie auch bei Wiedereröffnung stärker zu Infektionsgeschehen beitragen werden, wenn keine Vorkehrungen getroffen werden.

Die getroffenen Annahmen basieren auf der Simulation der Infektionszahlen, wenn die Mobilitäts-Daten aus März für einen zu betrachtenden Point of Interest zugrunde gelegt werden, während die anderen Points of Interest auf dem mobilitäts-reduzierten Level von Ende April konstant gehalten werden. Das aber bedeutet, dass die Wirkung von in der Zwischenzeit etablierten strengen Hygienekonzepten keine Berücksichtigung findet.

Andere Studie postulieren ein niedriges Infektionsrisiko in Fitnessstudios
Studien von EuropeActive, der King Juan Carlos University und das AWRC der Sheffield Hallam University kommen zu Ergebnissen, die der Aussage der Stanford-Studie entgegenstehen. So beläuft sich das Ergebnis der ‚SafeACTiVE Study‘ darauf, dass die durchschnittliche Infektionsrate in Fitnessstudios bei 0,78 pro 100.000 Besuchen liegt. Diese unter Einhaltung der geltenden Hygienemaßnahmen erhobenen Daten bescheinigen Studiobesuchern ein extrem niedriges COVID-19-Risiko und verdeutlichen, dass Fitnessstudios angesichts dieser Ergebnisse keine Corona-Hotspots darstellen und das Training sicher ist.

Eine Differenzierte Betrachtung ist wichtig – die Studie ist nur bedingt aussagekräftig
Abgesehen davon, dass Situation in Deutschland und den USA mit Blick auf Hygienekonzepte nicht pauschal verglichen werden kann, basieren die Simulationen der Studie auf Werten aus dem März 2020; zu diesem Zeitpunkt waren die Hygienekonzepte sicherlich weniger ausgereift als dies zum heutigen Zeitpunkt der Fall ist. Die vorgenommenen Simulationen sind damit mit Vorsicht zu betrachten. Außerdem basieren die Simulationen auf der Annahme, dass das Besuchsverhalten bei Wiedereröffnung an den jeweiligen Orten genau so sein wird wie im März 2020, dass also weder Zugangsbeschränkungen getroffen, Abstandsregeln eingehalten und generell strenge Hygienekonzepte umgesetzt werden. Hinzu kommt, dass Fitnessanlagen als Einheit betrachtet werden, vollkommen unabhängig von Art der Anlage, Größe der Anlage, Angebot etc., was die Aussagekraft für den deutschen Raum ebenfalls relativiert.

Hygienekonzepte schützen und bieten Sicherheit
Vor dem Hintergrund der oben genannten Ausführungen sollten die Studienergebnisse aus den USA keinesfalls 1:1 auf den deutschen Fitnessmarkt übertragen werden. Vielmehr sollten diese differenziert betrachtet werden. Die Studie untersucht das Infektionsrisiko ohne Berücksichtigung geltender Sicherheits- und Hygienestandards, die insbesondere in den letzten Monaten in der Fitness- und Gesundheitsbranche verstärkt etabliert und umgesetzt wurden.

Die Ergebnisse der Stanford-Studie zeigen damit umso mehr, wie drastisch das Infektionsgeschehen ohne derartige Maßnahmen verlaufen würde.  Unter Einhaltung der geltenden Sicherheits- und Hygienemaßnahmen aber, das zeigt die SafeActive-Studie, liegt das Infektionsrisiko pro 100.000 Besuchen bei 0,78. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass die getroffenen Maßnahmen greifen und damit ein sicheres Training im Studio möglich machen.

PM DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen

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