Sehr geehrte Frau Dr. Eisenmann,
Schule ist neben der Arbeitswelt das System, das den Alltag von Familien am stärksten beeinflusst, deshalb beobachten wir mit Sorge die Diskussion rund um das Thema „Öffnung der Schulen im Herbst“.
Familien brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Schüler*innen brauchen Normalität und Lernorte außerhalb der Familien-Wohnung. Digitaler Unterricht zuhause verstärkt das Ungleichgewicht zwischen erfolgreichen und abgehängten Schüler*innen.
Präsenzunterricht muss Standard sein Alle Planungen sollten darauf hinzielen, dass nach den Ferien Präsenzunterricht, wie ihn die Kontingent-Stundentafeln vorsehen, stattfinden kann, unter Bedingungen, die dem Anliegen optimaler Lernbedingungen gerecht werden und auch den Gesundheitsschutz im Blick haben.
Es ist uns bewusst, dass es Lehrer*innen gibt, die zur Risikogruppe gehören und deshalb für Präsenzunterricht nicht zur Verfügung stehen. Wir sollten die technischen Möglichkeiten nutzen und diese Personen digital ins Klassenzimmer zuschalten.
Die Lehrenden können von ihren Arbeitgebern schneller und einfacher ausgestattet werden als die Schüler*innen. Den Lernerfolg von den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen bei den Schüler*innen abhängig zu machen, ist diskriminierend und trifft wiederum die Schwächsten in unserer Gesellschaft.
Wir fordern daher die Schulträger auf, Präsenzunterricht digital zu ermöglichen, fußend auf einer soliden finanziellen Ausstattung durch das Land.
Die Lernumgebung, der Lernort „Schule“ ist wichtig für das Lernen und die sozialen Kontakte. Arbeitsaufträge in der Schule bearbeiten (erstellt auch von den Lehrenden der Risikogruppen) und eine Unterrichtssituation in Webseminarform mit digitalen Dialogpartner*innen sind Möglichkeiten, beiden Anliegen gerecht zu werden.
Damit Schulen kurzfristig auf die je eigene Situation reagieren können, müssen Deputatsänderungen flexibel auch während des Schuljahrs möglich sein.
Plan B bereithalten Die Zeit in den Sommerferien sollte genutzt werden, alle Lehrer*innen zu befähigen, einen dauerhaft effektiven digitalen Lernraum für Schüler*innen aufzubauen, der auch dann funktioniert, wenn temporäre Schließungen notwendig wären.
Jede Schule muss sicherstellen, dass die im Bildungsplan vorgesehenen Kompetenzen adäquat und sicher vermittelt werden.
Es darf kein Kind verloren gehen Alle Schüler*innen müssen zuverlässig erreicht werden, sonst haben wir noch mehr Heranwachsende ohne Zukunftschancen. Eine Förderung der Schüler*innen, die mit dem Unterrichtsangebot bislang nicht erreicht wurden, muss über die freiwilligen Ferienangebote hinausgehen.
Zentrale Abschlussprüfungen 2021 Durch die Schulschließungen im Frühsommer 2020 konnte nicht der gesamte Unterrichtsstoff, den der Bildungsplan vorsieht, bearbeitet werden. Wie wird bei den Zentralen Abschlussprüfungen 2021 damit umgegangen, dass in jeder Schule unterschiedliche Themen ausgefallen sind?
Wahlfreiheit für Eltern Damit Eltern frei entscheiden können, ihre Kinder selbst zu betreuen oder erwerbstätig zu sein (am Arbeitsplatz oder im Homeoffice), ist eine verlässliche Ganztagsbetreuung unerlässlich.
Familien haben in den letzten Monaten sehr viel geleistet, viele sind am Rande ihrer Kräfte. Eine verlässliche Öffnung der Schulen würde ihnen die Sorge nehmen, dass die Bildungschancen ihrer Kinder auf der Strecke bleiben. Die Kinder einfach wieder ins Homeschooling zu schicken, muss daher die ultima ratio bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hagedorn Karlheinz Heiss
Landesvorsitzender Stellvertreter
PM Familienbund der Katholiken Diözese Rottenburg-Stuttgart