Zum Tode von Walter Schleicher, Bürgermeister von 1947 – 1952 in Wäschenbeuren

Im Februar 1947 wurde der junge Rechberghausener Walter Schleicher vom Wäschenbeurener Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt. Er war damit der erste Verwaltungsfachmann im Wäschenbeurener Rathaus in der Nachkriegszeit.

Walter SchleicherIm Jahre 1945 übten nacheinander die von der Besatzungsmacht eingesetzten Bürger Karl Rummel und Eugen Benkelmann das Amt des kommissarischen Bürgermeisters aus. Von Oktober 1945 bis Januar 1947 amtierte der vom Landratsamt entsandte Polizist Heinrich Thiele im Rathaus. Vom Zeitpunkt der Amtsniederlegung von Thiele bis zum Amtsantritt von Schleicher führte der Gemeinderat und stellvertretende Bürgermeister Eugen Bischofberger die Geschäfte.

1948 wurde der Bürgermeister in allgemeiner, freier Wahl von der Bevölkerung in seinem Amt bestätigt. Er amtierte im Forsthaus am Marktplatz. Gemeinderatssitzungen fanden im Dienstzimmer des Bürgermeisters statt. Einen Sitzungssaal gab es nicht. Stühle lieh man sich für die Sitzungen im nahegelegenen Gasthaus „Germania“ aus.

Eine gigantische Aufgabe wartete in der schwer kriegszerstörten Gemeinde auf den jungen Bürgermeister. Am 19. April 1945 waren nach dem amerikanischen Luftangriff 117 Häuser, darunter 49 Bauernhöfe, dem Feuer zum Opfer gefallen. Die härteste Nuss war die Umsetzung des 1948 aufgestellten Ortsbauplans. Dieser sah eine Auflockerung des bisher eng bebauten Ortskerns vor: breitere Straßen, mehr Platz zwischen den Häusern. Dies bedeutete, dass viele alteingesessene Bürger auf ihrem bisherigen Grund und Boden nicht mehr bauen durften, sondern am  Ortsrand angesiedelt werden sollten. Dies führte zu schweren Auseinandersetzungen im Dorf. „Das ganze Dorf ist durch die Baulandumlegung hintereinander gekommen“, steht in einem Bericht von Bürgermeister Schleicher an den Kreisrat im Jahre 1949. Um jeden Quadratmeter Boden wurde dabei gekämpft.

Allmählich konnte die Gemeinde auch daran denken, ihre zerstörten öffentlichen Gebäude wieder zu erstellen. Als erstes Gebäude wurde 1948 das Gebäude des Farrenstalls an der Professor-Kuhn-Straße gebaut. Um die alten regendurchlässigen Baracken – 14 Baracken wurden nach dem Krieg in Wäschenbeuren für die Abgebrannten aufgestellt – abbauen zu können, baute die Gemeinde mit Hilfe der Kreisbaugenossenschaft „Filstal“ ein Sechsfamilienhaus an der Brühlstraße. Der Bau des Vierfamilienhauses in der Hetzengasse schloss sich an. Im gleichen Jahr konnte die Gemeinde das Baugelände in der „Wilmet“ erwerben. Ebenfalls von der Kreisbaugenossenschaft wurden für die „Kleinstgrundstücksbesitzer“ aus dem zerstörten Ortskern die Doppelhäuser an der Heuhofstraße erstellt. Im Zuge der Baulandumlegung wurden neben dem Baugebiet „Wilmet“ auch Bauplätze im „Brühl“ in der „Bergetswies“ und im „Ökling“ gewonnen. Zur Erschließung dieser Plätze wurden die Friedrich-von-Büren-Straße, die Brühlstraße, die Gartenstraße und die Wettegasse ausgebaut. In der Mitte des Jahres 1952 standen, sieben Jahre nach dem Krieg, von den vierzehn Baracken noch drei.

Ein besonderes Augenmerk hatte die Gemeinde in der Zeit des Wiederaufbaus auf die Schule zu richten. Nach dem Brennen“ standen nur noch vier Schulsäle im neuen Schulhaus zur Verfügung, da das alte durch Notwohnungen belegt war. Die Schülerzahl war bis 1948 auf 420 gestiegen, so dass in jedem Saal mehr als hundert Schüler unterrichtet werden mussten. 1948 gelang es der Verwaltung, die Notwohnungen im (heute nicht mehr bestehenden) alten Schulhaus zu räumen. Drei Klassenzimmer und ein Schülerbrausebad konnten eingerichtet werden, das „Schüle“ (der Kindergarten) kam von der Turnhalle ins Erdgeschoss des alten Schulhauses, und die „Kochschule“, die im „Grünen Baum“ und im „Schützenhof“ behelfsmäßig untergekommen war, kehrte ins alte Schulhaus zurück.

Auch eine wichtige Aufgabe war es, die Feuerwehr wieder einsatzbereit zu machen. Beim „Brennen“ waren im alten Rathaus Spritzen, Schläuche, eine Magirus-Leiter, Feuerwehrjacken und Helme verbrannt. Nun wurde eine Tragkraftspritze angeschafft, die vom Gemeindelastwagen, dem „Gmoidsbock“, in einem Anhänger gezogen wurde. Als Feuerwehrmagazin diente, bis zum Bau des neuen Magazins in der Maiergasse, die Scheuer im alten Schulhaus.

Da dem Wiederaufbau der Wohnhäuser und landwirtschaftlichen Gebäude der Vorrang gegeben worden war, wurde erst im Dezember 1949 mit der Planung für ein neues Rathaus begonnen. Den Plan entwarf Manfred Unterlöhner, Sohn des Wäschenbeurener Lehrers Eugen Unterlöhner, zusammen mit dem Stuttgarter Architekten Laup, in dessen Büro er beschäftigt war. Das im Vergleich zum alten Rathaus bedeutend größere Bauwerk wurde auf erstaunliche Weise finanziert. Bei einem Kostenvoranschlag von 230 00 DM wurden 200 000 DM aus dem Notstock für kriegsgeschädigte Gemeinden, 20 000 DM Darlehensaufnahme und 10 000 DM LAKRA-Mittel vorgesehen. Die sparsame Gemeinde nahm auch noch die Post und die Kreissparkasse mit ins Haus, so dass auch noch mit Mieteinnahmen zu rechnen war.

Zur Einweihung am 4. Oktober 1952, bei der Innenminister Ulrich und Landrat Seebich zugegen waren, fehlte nur eins: ein Bürgermeister, der in das neue Rathaus hätte einziehen können. Der bisherige Bürgermeister Schleicher hatte im Frühjahr des Jahres seine Arbeit in der Gemeinde beendet und war Verwaltungsleiter des Kreiskrankenhauses Geislingen geworden. Der stellvertretende Bürgermeister, Gemeinderat Karl Deibele, musste die Gäste begrüßen und die Ansprache halten.

BM Walter Schleicher hatte die engagierte Arbeit in Wäschenbeuren so zugesetzt, dass er gesundheitliche Probleme bekam. Schließlich hatten sogar „kämpferische“ Bürger mit Peitsche oder Axt im Rathaus vorgesprochen. In schwerer Zeit hatte BM Schleicher Großes geleistet, und die schlimmste Zeit war nun wirklich vorbei. Auch hatte er zukunftsweisende Grundstückskäufe getätigt. Auf dem von ihm gekauften Anwesen Wohlschieß entstanden wenige Jahre nach seinem Abgang die Schwesternstation und der alte Kindergarten (heute Regenbogen-Kindergarten) und Anfang der siebziger Jahre der Katholische Kindergarten.

Der Kontakt zur Gemeinde Wäschenbeuren ist nie abgerissen. So kam Walter Schleicher 2005 und 2015 zu den Gedenkveranstaltungen an den Luftangriff nach Wäschenbeuren und berichtete über seine Aufbauarbeit.

Foto: Teilnahme an der landkreisweiten Veranstaltung zu „70 Jahre nach dem Brennen“ am 19.04.2015 in der Bürenhalle. Im Bild links unten: Herr Schleicher als junger Bürgermeister in Wäschenbeuren

Text: Peter Schührer

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