Die Mehrheit der Weißstörche hat Baden-Württemberg längst gen Süden verlassen. Für die Weißstorch-Aktiven im Land ist Zeit zum Durchschnaufen und Bilanz ziehen. Wie war der Bruterfolg des NABU-Wappentiers 2022? Bei der Weißstorchbeauftragten des Landes, Judith Opitz, sind aus allen Landesteilen die Zahlen eingegangen. Ihre Bilanz: „Mit durchschnittlich 1,7 Jungtieren pro Storchenpaar ist der Bruterfolg dieses Jahr ganz ordentlich. Am beliebtesten bei frisch vermählten Störchen im Land sind das Rheintal und Oberschwaben. Die Zahl der Weißstörche wächst jedes Jahr stetig an.“
Oberrhein und Oberschwaben sind Storchenhochburgen
Der Blick ins Storchennest zeigt 2022 regional wieder deutliche Unterschiede. Die besten Erfolge hatten die Störche im Ort Wagshurst bei Offenburg am südlichen Oberrhein mit durchschnittlich 2,5 gefiederten Sprösslingen je Horst. Sehr erfolgreich waren auch die oberschwäbischen Störche mit 1,95 Jungtieren pro Paar, Spitzenreiter dort ist der Landkreis Biberach mit 2,2 Jungstörchen. Weniger Nachwuchs hatten die Tiere am Hochrhein mit nur 1,24 Jungen. Zugleich fiel im Nordosten des Landes drei bis vier Mal weniger Regen als im Südosten. Die Dürre dort hat jenen Störchen zugesetzt, die Regenwürmer zur Jungenaufzucht nutzen. Diese ziehen sich bei Trockenheit in tiefe Bodenschichten zurück. Besser ging es Störchen, die in Feuchtbiotopen ihr Futter finden. Sofern diese nicht ausgetrocknet sind, konnten sie dort auch im Sommer genügend Nahrung für ihre Jungen finden. „Werden Feuchtflächen renaturiert, Wiesen wiedervernässt und wird Grünland extensiv genutzt, also wenig gemäht und nicht gedüngt, finden Störche genügend Nahrung. Dazu gehören Insekten wie Maulwurfsgrillen, aber auch Regenwürmer, Amphibien und Kleinsäuger wie Mäuse“, erklärt Opitz.
Zahl der Störche verdoppelt sich in sieben Jahren
In den letzten sieben Jahren hat sich die Zahl der Weißstorchpaare in Baden-Württemberg mehr als verdoppelt – von 801 (2014) auf 1.767 (2021). „Für den Arten- und Naturschutz ist das ein super Erfolg. Denn wir kommen aus einem tiefen Tal mit nur noch 15 Brutpaaren in ganz Baden-Württemberg anno 1975, der Weißstorch war da kurz vorm Aussterben“, sagt Opitz. Dank erfolgreicher Schutzmaßnahmen, und weil Störche zunehmend in Spanien oder gar bei uns überwintern und gar nicht mehr nach Afrika fliegen, wächst die Weißstorchpopulation seit Jahren kontinuierlich. Zum Schutz von Störchen, Uhus und anderen Vogelarten vor tödlichen Stromschlägen werden mit untauglichen Vorrichtungen unzureichend gesicherte Mittelspannungsmasten im Südwesten schrittweise um- und nachgerüstet. Dafür hat sich der NABU stark gemacht. Im Juli hatten viele Netzbetreiber die schrittweise Umsetzung schriftlich zugesagt. „Mit dieser lang verhandelten Vereinbarung ist ein guter Anfang gemacht. Jetzt müssen sich auch die fehlenden 30 Prozent der Unternehmen zum Vogelschutz bekennen“, fordert der NABU.
Ehrenamtlich aktiv für den Weißstorch
Mehr brütende Störche bedeutet zugleich mehr Arbeit fürs Ehrenamt: Nester wollen kontrolliert und gereinigt sein, Jungvögel werden im Frühsommer beringt und die Datenbank der Vogelwarte Radolfzell, die als Forschungsinstitut Süddeutschland betreut, im Herbst mit Zahlen gefüttert. „Damit wir alle Storchenpaare im Land betreuen können, hat der NABU um Nachwuchs beim Ehrenamt geworben, mit Erfolg. „Bei der diesjährigen Fortbildung im Oktober waren 27 Personen dabei, die alle die Faszination an den Störchen teilen. Nach zwei Schulungsrunden in 2021 und 2022 haben sich mehr als 30 neue Betreuende fest entschlossen, im Weißstorchschutz mitzumachen“, sagt NABU-Ehrenamtsberater Volker Weiß. Nach der Theorie kommt ab Frühjahr die Praxis: Vor Ort werden sie von den bisherigen Gebietsbetreuenden professionell eingearbeitet mit dem Ziel, eine eigene Region zu übernehmen. Allerdings vermisst Weiß aktuell noch eine finanzielle Entschädigung für die Ehrenamtlichen durch das Land. So bleiben diese oftmals auf den Fahrtkosten zu den Horsten sitzen.
Wer bleibt, wer fliegt?
Nicht alle Störche werden vom jährlichen Reisefieber gepackt: In Oberschwaben beispielsweise bleibt rund ein Drittel aller Tiere da. Die anderen nehmen die Westroute nach Südfrankreich und die Küste entlang bis Spanien. Die meisten bleiben auf der Iberischen Halbinsel, die übrigen fliegen weiter bis nach Marokko und ein kleiner Teil auch bis Mali. Ab und zu fliegen Jungvögel auf ihren Erkundungsflügen im Spätsommer kurz vor dem Vogelzug über die bayerische Grenze und schließen sich dort einem Jungstorchtrupp an, der die Ostroute wählt. Dann führt sie ihr Weg über den Bosporus, den Libanon, die Halbinsel Sinai und das Rote Meer, das Niltal entlang Richtung Süden bis nach Ost- oder Südafrika, was eine Reise von ungefähr 10.000 Kilometern bedeutet. Die meisten westziehenden Störche sind mittlerweile in ihren Winterquartieren eingetroffen.
Weitere Informationen: www.NABU-BW.de/stoerche
Infos zum Vogelschutz an Mittelspannungs-Strommasten: www.NABU-BW.de/news/2022/Juli/31956.html
PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.