Gutachten: Städtischer Verkehrsbetrieb bietet keinen Mehrwert

„Ein Mehrwert für unsere Bürgerinnen und Bürger oder für die Nutzerinnen und Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs ist durch eine Übernahme des Stadtbusverkehrs durch die Stadt nicht erkennbar“, stellte Oberbürgermeister Alex Maier am heutigen Donnerstagnachmittag das Ergebnis entsprechender Gutachten dem Gemeinderat vor.

Durch die Vollmitgliedschaft im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) seit Anfang des Jahres gelten die Verbund-einheitlichen Standards bei der kommenden Ausschreibung der Verkehrsleistungen 2025/26 ohnehin. Und diese sehen bei Städten zwischen 40.000 und 70.000 Einwohner/-innen auf allen Linien einen 30-Minuten-Takt werktags tagsüber sowie einen 60-Minuten-Takt abends sowie an Sonn- und Feiertagen vor. Ein 15-Minuten-Takt sei derzeit höchstens auf der Linie 902 sinnvoll, befindet die IGV Ingenieur Gesellschaft Verkehr GmbH & Co. KG; für die anderen Linien sei das Fahrgastpotenzial in Göppingen für einen 15-Minuten-Takt bislang zu niedrig. Zwar sei davon auszugehen, dass die Fahrgastzahlen durch die Optimierungen allmählich steigen; eine weitere Erhöhung auf einen 15-Minuten-Takt sei daher perspektivisch denkbar.

Auch der umfangreiche Katalog des VVS an Qualitätskriterien, zum Beispiel für das Alter und die technische Ausstattung der Fahrzeuge, müssen der Ausschreibung zugrunde gelegt werden. „Der ursprüngliche Gedanke, dass durch die eigenständige Organisation des Busverkehrs in der Stadt Göppingen ein höherer Einfluss auf die Qualität des Busverkehrs erreicht werden kann, ist durch die Integration in den VVS nicht mehr gültig“, so OB Maier. „Und bezüglich der Umweltfreundlichkeit der künftigen Fahrzeuge gelten sowieso die strengen Vorgaben der ‚Clean Vehicle Directive (CVD)‘ der EU.“

Bei einer inhouse-Vergabe an ein städtisches Verkehrsunternehmen, die Ziel einer Aufgabenübertragung an die Stadt sei, müsse der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistungen im Stadtgebiet erbracht werden. Die Leistungen außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets müssen unter 20 Prozent liegen, erläuterte die Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler. Dieses ist bei der gegenwärtigen Linienstruktur nicht der Fall. So wird der Stadtteil Faurndau von fünf Buslinien erschlossen, die alle über das Stadtgebiet hinausfahren. Gleiches gilt für den Göppinger Osten, wo alle drei Linien nach Eislingen weiterfahren, sowie auch für Jebenhausen und Bezgenriet sowie die südlichen Stadtbezirke bis Ursenwang.

Weiterhin sei das Risiko für ein städtisches Verkehrsunternehmen zu beachten, dass ein etwaiger eigenwirtschaftlicher Busbetrieb eines privaten Unternehmens genehmigungsrechtlich Vorrang vor einer inhouse-Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Verkehrsdienstleistungen hätte, erinnert die Kanzlei Menold Bezler.

Hintergrund

Im Vorfeld der Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2020 hatte der damalige Amtsinhaber die Absicht zum Erwerb der „Omnibusverkehr Göppingen OVG Bliederhäuser GmbH & Co. KG“ sowie die Übernahme der Aufgabenträgerschaft für den Stadtbusverkehr vom Landkreis durch die Stadt ins Gespräch gebracht. Daraufhin hat der Gemeinderat mit einstimmigen Beschluss vom 28.01.2021 die Verwaltung beauftragt; Gutachten einzuholen, wie der Stadtbusverkehr in Göppingen linientechnisch verbessert werden kann. Geprüft werden sollte auch, ob und wenn ja wie eine Organisation in städtischer Eigenregie – nach Übertragung der Aufgabe vom Landkreis auf die Stadt – die Attraktivität des ÖPNV in der Hohenstaufenstadt verbessern kann. Aus Zeitgründen wurden die gutachterlichen Arbeiten parallel und nicht zeitlich hintereinander durchgeführt – der Nahverkehrsplan für den Landkreis Göppingen, in den die städtischen Schlussfolgerungen aus den Gutachten einfließen müssen, muss in 2022 erarbeitet werden.

Die Gutachten der Firma IGV und der Kanzlei Menold Bezler beinhalten eine übereinstimmende Empfehlung, bei den derzeitigen Rahmenbedingungen aus wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Gründen die angestrebten Verbesserungen vom Aufgabenträger Landkreis vornehmen zu lassen anstatt in eigener Regie, mit eigenem städtischen Betrieb, durchzuführen. Zudem hat die IGV konkrete Vorschläge zur Angebotsverbesserung erarbeitet.

Verbesserungspotenzial

Die räumliche Erschließung des Stadtgebiets Göppingen sei, so die IGV, als überwiegend gut zu bezeichnen. Dies wurde auch im Rahmen der Bürgerbeteiligung – Fragebogenaktion im April – so rückgemeldet. Allerdings bestehen in den Räumen Bartenbach Nordwest, Hailing, Holzheim Ost und St. Gotthardt West Defizite. Größte Schwachstelle des Busverkehrs sei jedoch die geringe Fahrtenanzahl. Der heutige 60-Minutentakt sei für einen Stadtverkehr als nicht ausreichend anzusehen. Ein 30-Minuten-Takt wird allerdings ohnehin laut VVS-Vorgabe Grundlage der nächsten Ausschreibung sein.

Zur Neustrukurierung und Taktverdichtung im Bereich Reusch, Hailing, Bartenbach, Lerchenberg und Hohrein schlägt die IGV vor, die bestehenden Linien 904 und 905 künftig durch eine zusätzliche Linie mit dem Arbeitstitel 904/5 zu ergänzen. Die Linie 904 soll dabei den westlichen Hailing besser erschließen; die Linie 905 soll wie im Bestand zwischen dem ZOB und dem Reusch verkehren. Als Ergänzung zu den bestehenden Linien 904 und 905 wird eine zusätzliche Linie mit der vorläufigen Bezeichnung 904/5 empfohlen zur Feinerschließung Bartenbachs über den Promenadenweg und die Bärenstraße. Die Linie 904/5 erschließt zudem das Reusch. So entsteht für die Bewohner des Reuschs ein einheitlicher 30-Minuten-Takt.

Holzheim und die Ortsteile Manzen und Ursenwang sind mit der Linie 980 gut an Göppingen angebunden. Optimierungsbedarf sieht die IGV jedoch bei der Erschließung des Ortsteils St. Gotthardt, der bislang nur über eine Haltestelle an der Hauptstraße außerhalb der eigentlichen Siedlung vom Busverkehr bedient wird. Zudem gibt es in Holzheim, St. Gotthardt und Manzen keine Nahversorgungsangebote. Dies könne mit einer neuen Citybus-Linie 908 verbessert werden.

„Wir werden die Verbesserungsvorschläge in die Erarbeitung des nächsten Nahverkehrsplans 2022 durch den Landkreis einbringen“, erläuterte OB Maier das weitre Vorgehen. „Wir werden uns aber nicht um eine Aufgabenübertragung in Sachen ÖPNV beim Landkreis bemühen und von Kaufgesprächen bezüglich eines Busunternehmens Abstand nehmen.“

 

PM Stadtverwaltung Göppingen

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