NABU: Osterhoffnung für den Kiebitz / Vogel des Jahres 2024 beherrscht die Eiertarnung perfekt – was ein Nachteil sein kann

Die Natur zaubert oft die schönsten Farben. Wer jetzt Ostereier färbt, kann zu natürlichen Materialien greifen und kunterbunte Eier fürs Osterfest vorbereiten. Auch die Vogelwelt beherrscht die Eierfärbung, um den Nachwuchs vor Eierdieben zu schützen. Besonders Vögel, die ihre Eier offen in eine Bodenmulde legen, müssen sie gut tarnen. Zu ihnen gehört der Kiebitz, Vogel des Jahres 2024. Der Zugvogel trägt viele Namen: Gaukler der Lüfte, Feldpfau und Wiesen-Punk. „Aktuell kehren die Kiebitze aus ihren Hauptüberwinterungsgebieten in Frankreich und Spanien zurück nach Baden-Württemberg und beginnen mit dem Brüten“, berichtet NABU-Artenschutzexpertin Alexandra Ickes.

Kiebitz-Eier: Gut getarnt im Bodennest

Bei uns ist der Wiesenbrüter mit der kecken Federholle auf dem Kopf selten geworden. Und das, obwohl er die Eiertarnung perfekt beherrscht. Das liegt in seiner Regenpfeifer-Familie: Auch die Eier der Flussregenpfeifer sind super getarnt, sehen aus wie kleine Kieselsteine und verschwinden somit optisch auf den Kieselflächen an Flussläufen. „Der Kiebitz bevorzugt dagegen offenes, flaches und feuchtes Dauergrünland, Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen. Weil diese vielerorts trockengelegt wurden, nutzt er auch Ackerflächen zum Brüten“, erläutert Ickes. Optisch sind die Eier gut vor Nesträubern geschützt. Sie liegen in einer Bodenmulde, die das Männchen gescharrt und mit Gras ausgepolstert hat. Die birnenförmigen, olivbraunen Eier mit den schwarzbraunen Flecken werden quasi unsichtbar auf den trockenen Wiesenhalmen. Ab März bis in den Juni legen die Weibchen vier Eier ins Nest. Rund einen Monat später schlüpfen die Küken. Als Nestflüchter können sie mit 35 bis 40 Tagen fliegen. Der Kiebitz hat meist nur eine Jahresbrut, bei Verlust gibt es jedoch häufig Nachgelege. Warum geht es dem Vogel im Südwesten trotz aller Vorkehrungen schlecht?

Rücksicht nehmen und Gelege schützen

Die Kiebitze brüten genau zu der Zeit, in der Landwirtinnen und Landwirte für die Bearbeitung von Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais auf die Felder müssen. Die Nester können dabei leicht übersehen werden. In Zusammenarbeit mit dem Naturschutz werden vielerorts die Neststandorte mit Stangen markiert, sodass die gefährdeten Stellen umfahren werden. „Es ist wichtig, dass Naturbegeisterte die Kiebitze stets nur aus der Ferne mit einem Fernglas oder Spektiv beobachten, um sie nicht zu stören. Hunde bleiben an der Leine, um die Vögel nicht zu vertreiben“, so Ickes.

Hoffnung durch neue Kiebitz-Flächen

Das österliche Ei steht für die Auferstehung und ist Zeichen der Hoffnung. Darf auch der Kiebitz auf eine Zukunft im Südwesten hoffen? Müsste er dafür mehr Eier legen, wie etwa das Rebhuhn, das mit bis zu 20 Eiern pro Gelege im oberen Feld der Eierproduzenten mitspielt? „Nein, denn auch das Rebhuhn kämpft im Südwesten ums Überleben, aus ähnlichen Gründen wie der Kiebitz: Sein Lebensraum wird immer knapper“, berichtet Dominique Aichele, Fachfrau für Agrarbiodiversität beim NABU. „Dem Rebhuhn fehlt die Vielfalt in der Feldflur, etwa Getreideflächen mit Lücken, auf denen es gut versteckt brüten kann, Brachen, Ackerraine und Altgrasstreifen. Weil die Flächen intensiv bewirtschaftet werden, werden die Hühnervögel beim Brüten gestört und es fehlt an Deckung und Futter, auch für die Küken. Denn auch die Zahl der Insekten ist geschrumpft.“

Für Kiebitz und Rebhuhn gibt es dennoch Hoffnung: Durch die Anlage von flachen Wasserlachen und die Beweidung mit Wasserbüffeln wird etwa im Raum Baden-Baden neuer Lebensraum für den Vogel des Jahres geschaffen. Andernorts werden die Gelege durch Zäune geschützt. Und das Rebhuhn? Es profitiert von einem neuen Projekt, das dem Hühnervogel gezielt auch in Baden-Württemberg unter die Flügel greift. Mehr Infos unter www.rebhuhn-retten.de.

Hintergrund:

Der „Vogel des Jahres“ wird seit 1971 vom NABU und seinem bayrischen Partner LBV gekürt. Seit 2021 wird er durch eine öffentliche Wahl bestimmt. Im Jahr 2024 trägt der Kiebitz den Titel. Mit 27,8 Prozent der Stimmen hat er sich gegen vier andere Kandidaten durchgesetzt. Nach 1996 ist der Kiebitz bereits zum zweiten Mal der Vogel des Jahres und steht als solcher für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft. Sein Bestand hat in Baden-Württemberg und ganz Deutschland in den letzten Jahrzehnten katastrophal abgenommen, 90 Prozent der Brutpaare gingen verloren. Vor allem die Entwässerung und der Verlust von Feuchtwiesen machen ihm schwer zu schaffen. Darum war der Kiebitz bei der Vogelwahl mit dem Slogan „Wasser marsch!“ angetreten.

Artenporträt Kiebitz

Foto: Kiebitz-Gelege, © NABU/Dominic Cimiotti

Foto: Kiebitz mit Küken, © Thorsten Krüger

 

PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/freizeit/167147/

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.