Eintauchen in die faszinierende Welt der Wanderfalken – das ist ab sofort wieder möglich mit den NABU-Webcams. Die Greifvögel sind nicht nur meisterhafte Flieger, die im Sturzflug auf die Jagd gehen. Sie sind auch fürsorgliche Eltern. Im März beginnt die Brutzeit der Wanderfalken. In Heidelberg und Fellbach können Greifvogelfans wieder je ein Wanderfalkenpaar in luftiger Höhe rund um die Uhr beobachten. Der Blick ins Wanderfalkennest ist umsonst und zeigt: In Fellbach sind schon vier Eier da. In Heidelberg startet Lieselotte mit Verspätung, nachdem sie erfolgreich einen neuen Partner gefunden hat. Ungewöhnlich für Wanderfalken: Die Falkendame hatte das Nest als Erste besetzt und den Terzel eingeladen. Und wann kommt der Nachwuchs?
Eingespieltes Fellbacher Elternpaar legt erstes Ei des Landes
Im dritten Jahr sind Alizeé und Alvar ein routiniertes Elternpaar. Kein Wunder, dass sie beim Legen die Schnabelspitze vorne hatten: Das erste, bildlich dokumentierte Wanderfalken-Ei in Baden-Württemberg lag schon am 23. Februar im Fellbacher Nest, im mit 107 Metern wohl höchsten Brutplatz des Landes. Mittlerweile ist das Quartett komplett: Am 2. März wurde Ei Nummer vier gelegt.
Ist der Nachwuchs dann nach rund einem Monat geschlüpft, haben die Vogeleltern viel zu tun, um sie mit Wärme und Nahrung zu versorgen. Zwischen Ende Mai und Anfang Juni werden die Jungvögel normalerweise flügge, der Familienverbund löst sich aber erst rund zwei Monate danach endgültig auf. In Fellbach brüten seit 2018 Wanderfalken auf dem Schwabenland-Tower. Weil das Hochhaus lange im Rohbau stand, nutzten die Vögel die Gunst der Stunde, um sich aussichtsreich im Penthouse anzusiedeln. Der NABU unterstützt sie dabei mit einer künstlichen Nisthilfe und sorgt per Webcam für eine spannende Piep-Show. Das Fellbacher Falkenpaar hat eine große Fangemeinde, Falcommunity genannte, die mit dem NABU Fellbach gespannt auf Nachwuchs wartet.
Heidelberg: Wann legt Lieselotte los?
Das Familienleben der Wanderfalkeneltern im Nistkasten auf dem Turm der Heiliggeistkirche lässt sich auf gleich drei Webcams ganzjährig live beobachten. Nachdem Männchen Zephyr verschwunden ist, hat sich Lieselotte erfolgreich mit einem neuen Partner verpaart. Die Heidelberger Falkenfans rund um Initiator Hans-Martin Gäng haben ihn nach einem Pfalzgrafen benannt: Rupert. Nach erfolgreicher Paarbildung folgt nun bald die Eiablage. Neun Altfalken und 81 Jungfalken haben seit 1999 diesen Nistkasten als Familiensitz genutzt. Wie viele wohl noch hinzukommen und Ende April beringt werden? Alle Neuigkeiten notiert Gäng seit nunmehr 25 Jahren in einem Online-Tagebuch.
Noch bis Ende Mai sind die Wanderfalkenpaare auf dem Schwabenlandtower in Fellbach und im Turm der Heidelberger Heiliggeistkirche mit Brüten und Aufziehen ihrer Jungen beschäftigt. Ihre Beute sind nahezu ausschließlich Vögel, die sie im schnellen Flug in der Luft erbeuten. Mit ihrem stromlinienförmigen Körper und den langen, spitzen Flügeln erreichen sie Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometern. Damit sind sie die schnellsten Tiere der Welt. Obwohl die beiden Nistplätze seit vielen Jahren besetzt sind, verläuft die Familienphase der Wanderfalken jedes Jahr anders.
Flexibel bei Brutplätzen, aber störungssensibel
In der Natur brüten die Greifvögel überwiegend an Felsen, nutzen aber auch zunehmend künstliche Nisthilfen und geeignete Brutplätze an Gebäuden. Sie bauen wie alle andere Falken auch grundsätzlich keine Nester, sondern ziehen ihre Jungen auf Fels- und Gebäudeabsätzen, in Nischen oder wettergeschützten Hohlräumen auf. Platz ist in der kleinsten Hütte – eine Fläche, so groß wie eine XXL-Familienpizza reicht aus, sofern die Eier nicht aus luftiger Höhe herunterkullern können. Auf Störungen reagieren die Wanderfalken empfindlich und verlassen im schlimmsten Fall ihr Nest und ihre Jungen. Auch weil gute Brutplätze rar sind, sollte man die Vogeleltern keinesfalls stören.
Wer von März bis Juni in einem Brutgebiet von Wanderfalken unterwegs ist, sollte Rücksicht nehmen und Abstand halten. Ihren natürlichen Schwerpunkt haben die Vögel in den Felsregionen der Mittelgebirge – auf der Schwäbischen Alb, im Schwarzwald und im Neckartal. Darüber hinaus brüten sie seit vielen Jahren in vielen Städten des Landes in felsähnlichen Strukturen und Nischen, etwa auf und an Gebäuden, Brücken, Kirchtürmen, Kraftwerken, Industriebauten oder Schornsteinen.
Hintergrund:
Wanderfalkenheimat Baden-Württemberg
- Der Wanderfalke (Falco peregrinus) wurde 1971 vom NABU zum ersten „Vogel des Jahres“ gekürt, um auf den dramatischen Bestandsrückgang in Deutschland und darüber hinaus hinzuweisen. Pestizide wie DDT verursachten dünnschalige Eier, vergifteten die Vögel aber auch direkt. Hinzu kam die auch damals schon illegale Entnahme von Jungvögeln und Eiern für den lukrativen Verkauf sowie Störungen der Lebensräume. Bis 1975 schrumpfte der gesamtdeutsche Bestand auf etwa 50 Brutpaare, von denen 33 in Baden-Württemberg lebten.
- Das bundesweite DDT-Verbot ab 1972, der bessere gesetzliche Schutz der Art und umfangreiche Maßnahmen durch die Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW) schafften die Trendwende. Ausgehend von Baden-Württemberg als Rückzugsraum folgten ein starker Bestandsanstieg und die Rückbesiedlung weiter Bereiche Deutschlands und der Nachbarländer.
- Heute leben wieder 250 bis 260 Paare des Wanderfalken im Südwesten und besetzen ein Revier. Der Wanderfalke und viele andere Greifvogelarten brauchen jedoch weiterhin Unterstützung, weil sich ihr natürlicher Lebensraum verändert, sie durch verschiedene Faktoren geschwächt sind oder verfolgt werden.
- Mit einer Patenschaft für Eulen und Greifvögel beim NABU Baden-Württemberg oder der direkten Mitarbeit bei der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW) des NABU kann man den streng geschützten Tieren unter die Flügel greifen.
Foto: Falkencam Fellbach (NABU)
PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.