Die Weißbeerige Laubholz-Mistel (Viscum album) ist eine zauberhafte Pflanze mit vielen Talenten, aber auch mit tückischen Folgen. Heilkundige Druiden sollen sie einst mit goldenen Sicheln geschnitten haben – Miraculix mit seinem Zaubertrank lässt grüßen. Zum Einsatz kommt sie heute in Mistelpräparaten. Die kugelig wachsende, immergrüne Pflanze mit den hellen Beeren ist zudem ein dekorativer nachhaltiger Adventsschmuck. Über den Türrahmen gehängt, soll nach altem Brauch ein Kuss darunter für Liebesglück sorgen. Ob verliebt oder nicht, jetzt ist die passende Zeit, um Misteln zu schneiden und damit den Streuobstwiesen einen Riesengefallen zu tun.
Denn auf Streuobstwiesen sind die Misteln gar nicht gern gesehen. „Für Obstbäume ist die Mistel großer Mist. Wird sie nicht entfernt, breitet sie sich innerhalb weniger Jahre in einem Gebiet weiträumig aus. In manchen Regionen des Landes ist kaum ein Streuobstbaum mistelfrei. Selbst vermeintlich resistente Birnbäume sind befallen. Der NABU appelliert daher an alle Besitzerinnen und Besitzer von Streuobstwiesen und anderen Bäumen: „Nutzen Sie frostfreie Tage, um eigene Bäume von Misteln zu befreien. Die Pflanze ist nicht besonders geschützt. Mit dem Schnitt erhalten Sie die Vitalität Ihrer Bäume und damit einen wichtigen Lebensraum für Vögel, Insekten und viele andere Kleinlebewesen“, erklärt NABU-Ornithologe Stefan Bosch.
Angezapft: Misteln als zusätzlicher Stressfaktor in der Klimakrise
Für die Streuobstlandschaft kommen bei der Mistel einige ungünstige Faktoren zusammen. Die Bäume leiden ohnehin vermehrt unter Trockenheit, Hitze und Baumkrankheiten. Wärme unterstützt auch die Keimung. Nach einem Jahr beginnt die immergrüne Pflanze damit, den Wirtsbaum anzuzapfen. Mit ihren Saugwurzeln entzieht sie ihm Wasser und Nährstoffe. Innerhalb eines Baumes breiten sich Misteln von der Baumkrone auf tieferliegende Äste und Nachbarbäume aus, weshalb es so wichtig ist, die Beeren zu entfernen. Mehr als 20 Vogelarten fressen zudem die Beeren samt Samen und verbreiten diese über ihren Kot weiter. Besonders von der Mistelplage betroffen sind Apfelbäume, Eberesche, Pappel, Weide, Weißdorn oder Birke. „Wer Misteln schneidet, hilft mit, alte Streuobstbäume gesund zu halten. Damit bleiben auch die Spechthöhlen darin als Kinderstube für Gartenrotschwanz oder Steinkauz erhalten“, rät Streuobstfreund Bosch.
Obstbäume sanieren und regelmäßig kontrollieren
Hat die Mistel sich an einem Baum breitgemacht, sollte die Pflanze systematisch alle zwei bis drei Jahre entfernt werden. Da sie erst nach vier Jahren Beeren und damit Samen trägt, wird die Weiterverbreitung gestoppt. Soll ein Baum saniert werden, müssen stark befallene Äste komplett entfernt oder mindestens 30 bis 50 Zentimeter ins gesunde Holz zurück abgesägt werden. Bei geringem Befall können Pflanzen samt Wurzeln mit einer Kerbe tief ins Holz ausgeschnitten werden. Die Wurzeln der Misteln sind als grüne Stellen im Holz erkennbar.
Hochstämme nachpflanzen für Specht und Wendehals
Wird die Laubholz-Mistel nicht entfernt, kann sie einen bereits geschwächten Baum im Extremfall vollends zum Absterben bringen, warnt der NABU. Bosch empfiehlt: „Ein hochstämmiger Obstbaum sollte stets durch einen ebensolchen ersetzt werden. Am besten mit einer Stammhöhe von 1,80 Meter oder höher. Buntspecht, Grünspecht und Co. zimmern ihre Bruthöhlen am liebsten in große, stämmige Bäume. „Ist die Spechtfamilie ausgezogen, bietet die Baumhöhle selten gewordenen Höhlenbrütern, wie Wendehals oder Halsbandschnäpper, einen unentbehrlichen Platz, um im Frühjahr den Nachwuchs darin aufzuziehen“, so der Ornithologe. Die Baumhöhlen sind aber auch bei Siebenschläfern, Fledermäusen und Wespen begehrt.
Hintergrund:
Die Weißbeerige Laubholz-Mistel (Viscum album) wird bis zu 70 Jahre alt. Sie blüht grüngelb zwischen Februar und April. Im Herbst trägt sie erbsengroße, glasig-weiße, fleischige Scheinbeeren, die bei vielen Vogelarten als Winternahrung begehrt sind.
Mistel-Infopapier (Stand 2016) mit Details zu Verbreitung, Ökologie und Bekämpfung der Mistel: www.NABU.de/natur-und-landschaft/landnutzung/streuobst/pflege/21681.html
Weitere Infos: www.NABU-BW.de/streuobst
PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.