Ist das Rebhuhn noch zu retten? Die Chancen sind jedenfalls gestiegen, dass sich in Baden-Württemberg wieder eine größere Population des gut getarnten Bodenbrüters entwickeln kann. Wichtige Vorarbeiten dazu hat ein Projekt im Landkreis Tübingen geleistet, das zum Jahreswechsel endet. Dort liegt einer der letzten Verbreitungsschwerpunkte des Brutvogels im Land.
Statt den Artenschwund nur zu beklagen, haben sich verschiedene Akteure gemeinsam auf den Weg gemacht. Mit einigem Erfolg: „Das drohende Aussterben des Rebhuhns im Landkreis Tübingen konnte vorerst verhindert und der seit den 1980er Jahren kontinuierliche Rückgang erstmalig gestoppt werden. Noch können wir das Rebhuhn retten. Doch dies geht nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Zeit drängt!“, sagt Projektleiterin Karin Kilchling-Hink. Ihre Projektkollegin Dr. Sabine Geißler-Strobel ergänzt: „Der Erfolg ist hart erkämpft. Es leben zwar wieder mehr Rebhühner im Projektgebiet als vor sechs Jahren, aber von einer langfristig stabilen Population mit zirka 250 Rebhuhnrevieren sind wir mit den aktuell 41 Revieren noch weit entfernt.“
Kooperation von Landwirtschaft, Naturschutz, Kommunen, Politik und Jägerschaft
Dass dieser Erfolg nur durch das besondere Engagement der regionalen Akteurinnen und Akteure möglich war, brachte der Tübinger Landrat Joachim Walter heute beim Treffen der Projektpartner zum Projektabschluss in Rottenburg mit seinem deutlichen Lob zum Ausdruck. „Ehrenamtliche machten sich mit Herzblut und Hoffnung im Frühjahr allabendlich auf Rebhuhnsuche. Landwirte auf ihrem Schlepper bereiteten das Saatbett für Blühmischungen. Naturschutzaktive und Kommunen stutzten die zu hoch gewordenen Gehölzkulissen. Ich danke Ihnen allen, auch jenen, die geholfen haben, den Fuchs als wichtigsten Beutegreifer des Rebhuhns in Schach zu halten.“
Der NABU-Landesgeschäftsführer Uwe Prietzel betonte bei dem Treffen: „Ein wichtiger Anfang für den Schutz des vom Aussterben bedrohten Hühnervogels im Landkreis Tübingen ist gemacht. Jetzt muss die Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Jägerschaft, Kommunen, Politik und Naturschutz für das selten gewordene Rebhuhn weiter intensiviert und verstetigt werden. Dafür braucht es noch mehr wirksame Maßnahmen in der Fläche, die Berücksichtigung bei der Umsetzung des landesweiten Biotopverbunds und das angekündigte Bodenbrüterprogramm des Landes. Wir freuen uns, dass dessen Finanzierung im nächsten Haushalt wohl doch noch gelingt.“
„Dass die erfolgreiche Partnerschaft zwischen NABU, Landesjagdverband und landwirtschaftlichen Betrieben voraussichtlich nicht mit dem PLENUM-Projekt endet, sondern das regionale Engagement eine Fortsetzung im Rahmen des bundesweiten Projekts ‚Rebhuhn retten – Vielfalt fördern‘ finden wird, ist ein toller Projekterfolg“, sagte Kolja Schümann, Geschäftsführer von PLENUM und VIELFALT e.V.
Hintergrund zum Projekt
Das Kooperationsprojekt „Rebhuhnschutz im Landkreis Tübingen“ wurde 2017 gestartet und nach zwei Jahren Laufzeit um zweimal zwei Jahre bis 31.12.2022 verlängert. Es wurde durch PLENUM Tübingen gefördert, vom NABU-Vogelschutzzentrum in Mössingen getragen und in Kooperation mit VIELFALT e. V., der Initiative Artenvielfalt Neckartal (IAN) und dem Landratsamt Tübingen umgesetzt. Ziel war es, das drohende Erlöschen des Rebhuhns im Landkreis zu verhindern, bei Landwirtschaft, Politik und Bevölkerung ein Bewusstsein für die Bedürfnisse des Rebhuhns zu schaffen und sinnvolle Maßnahmen zu erproben und umzusetzen.
Im Landkreis Tübingen wurden in enger Kooperation mit Landwirten und dem Landschaftserhaltungsverband VIELFALT e. V. Maßnahmen für den Rebhuhnschutz erprobt und weiterentwickelt. Die Erfahrungen aus dem Projekt sind auch in die Ausgestaltung der neuen Förderprogramme FAKT und LPR für Landwirtinnen und Landwirte ab 2023 auf Landesebene mit eingeflossen. Die Strahlkraft des Projekts mit Fachtagung und Politikberatung hat sogar bis nach Brüssel gereicht, wo auf EU-Ebene ein Schutzkonzept für das Rebhuhn erarbeitet wird.
Neben diesen übergeordneten Erfolgen gibt es im bisherigen Projektgebiet fundierte fachliche Grundlagen, auf denen die weiteren Schutzbemühungen aufbauen können. So bietet beispielsweise eine im PLENUM-Projekt erarbeitete Biotopverbundkulisse für das Rebhuhn im Landkreis Tübingen den beteiligten Kommunen Orientierung für ihre Verbundplanungen. Für biodiversitätsfördernde Maßnahmen im Rahmen der neuen Agrarreform (GAP) wurde für Landwirtinnen und Landwirte eine Liste erstellt. Sie bietet eine Hilfestellung, um sinnvolle und wirksame Maßnahmen zum Schutz des Rebhuhns umzusetzen. Auch für die Heckenpflege im Sinne des Rebhuhns wurde eine Handlungsanleitung erarbeitet.
Weitere Informationen: www.NABU-Vogelschutzzentrum.de/projekte-partner/plenum-projekt-rebhuhn/
Steckbrief Rebhuhn
- Das Rebhuhn ist etwa 30 Zentimeter groß, wiegt 290 bis 470 Gramm und hat ein überwiegend braungraues Gefieder. Erwachsene Rebhühner tragen eine rostfarbene bis gelbe Kopfzeichnung und auf der Brust einen dunklen Fleck in Hufeisenform. Das Rebhuhn bewegt sich meist zu Fuß, kann jedoch auch fliegen. Bei Gefahr drückt es sich flach an den Boden.
- Zum Überleben braucht die charakteristische Art des Offenlandes überjährige, ungenutzte Strukturen wie Feldraine, Brachen, Säume von Niederhecken und insbesondere große, mehrjährige Blühflächen. Hier finden die Rebhuhnfamilien mit ihren Küken das ganze Jahr über Schutz vor Beutegreifern sowie ausreichend Nahrung.
- Rebhühner knabbern gern an grünen Pflanzenteilen und fressen Samen von Wildkräutern sowie Getreidekörner. Jungvögel brauchen anfangs viele Insekten und deren Larven, wie Ameisen, kleine Käfer, Schmetterlingsraupen und Blattläuse.
- Das Weibchen baut sein Nest als Mulde am Boden, bevorzugt in überjähriger ungenutzter Vegetation mit Altgras, wo es Deckung findet. Dazu zählen Brachen, Feldraine, Weg- und Grabenränder und Säume von Niederhecken. Mitte April bis Juli legt das Rebhuhn durchschnittlich 16 Eier. Nach 23 bis 25 Tagen schlüpfen die Jungen, die mit 13 bis 14 Tagen fliegen können und mit etwa fünf Wochen selbstständig sind. Sie bleiben aber bis zum Frühjahr im Familienverband. Im Gegensatz zu den Zugvögeln ist das Rebhuhn auch im Winter bei uns anzutreffen.
Foto von Michael Eick
PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.