Pottwale sehen durch Laute, Jesus-Echsen laufen übers Wasser und Glühwürmchen sind effizienter als jede Energiesparlampe – die Natur steckt voller Arten mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Oft sind es unscheinbare Lebewesen, deren Besonderheiten erst auf den zweiten Blick auffallen. Die BUND Landesverbände Baden-Württemberg und Hessen küren deshalb zum zweiten Mal den Heimlichtuer des Jahres: 2022 fällt die Wahl auf den Ameisenlöwen.
Eingebuddelt am Grund einer kleinen trichterförmigen Fallgrube lauert ein gefürchteter Insektenjäger auf vorbeilaufende Beute – der Ameisenlöwe. Sobald Kleintiere den Rand der Trichtergrube überschritten haben, gibt es für sie kein Zurück. Denn die Wände der Grube sind so steil, dass die Opfer mit den Sandkörnern hinabrutschen – eine perfekte Falle. Kaum sind sie auf dem Grund, packt der Ameisenlöwe seine Opfer. Vor allem auf Ameisen und Schmetterlingsraupen hat er es abgesehen.
Aussehen – Wandlungsfähiger Löwe
Bei dem geschickten Fallensteller handelt es sich um die Larve der Ameisenjungfern (Myrmeleontidae). Die Larve wird meist bis zu einem Zentimeter lang, in manchen Fällen bis zu 17 Millimeter. Sie hat einen rundlichen, abgeflachten Körper und ist bräunlich gefärbt. An ihrem Kopf verfügt sie über zangenartige Mundwerkzeuge. Die erwachsenen Ameisenjungfern sehen wie so oft bei Insekten ganz anders aus. Sie sind grazil und haben vier etwa drei bis vier Zentimeter große Flügel. Ameisenjungfern sehen Libellen sehr ähnlich. Doch ist ihr Flug im Vergleich zu dem der wendigen Libellen eher langsam und wirkt unbeholfen. Die Ameisenjungfern fliegen vor allem nachts und haben es vor allem auf Kleinschmetterlinge und Läuse abgesehen.
Lebensweise: Geschickter Fallensteller
Auch Tiere, die sehr viel größer sind, haben gegen den Zangengriff der kleinen räuberischen Larve keine Chance. Im Gegenteil: Je mehr sie zappeln, desto tiefer werden sie von den nachrutschenden Sandkörnchen in die Grube hinabgezogen. Der Ameisenlöwe dagegen ist durch seine nach vorne gerichtetem Haarbüschel fest im Sand verankert. Er spritzt seinen Opfern neben einem lähmenden Gift Verdauungsenzyme ein. So wird ihre Beute innerlich zu Brei und der Ameisenlöwe kann sie aussaugen. Die leere Körperhülle wirft die Larve mit einer ruckartigen Bewegung aus der Grube. Wenn dem Ameisenlöwen doch mal ein Opfer aus den Fangarmen entwischt, so wirft er diesem Sandkörnchen hinterher und das Opfer rutscht wieder hinab in die Grube.
Die kreisrunden Trichtergruben befinden sich oftmals unter Bauwerken oder Wurzeltellern umgestürzter Bäume. Ameisenlöwen heben die Gruben in ganzen Kolonien aus. Für jede Grube benötigen sie höchstens eine halbe Stunde. Dabei graben sie zunächst einen runden Graben, den sie dann mit ihren Zangen nach innen immer weiter vertiefen. Die Trichtergruben können bis zu drei Zentimeter tief und bis zu acht Zentimeter breit werden.
Lebensweise: Feinde des Löwen
Zu sehen bekommt man den Ameisenlöwen kaum. Denn er lebt gut versteckt im Sand und ist somit für die in Frage kommenden Insektenfresser unsichtbar. Die nachtaktive Ameisenjungfer muss allerdings Fledermäuse fürchten, ebenso wie die Fangnetze von Spinnen. Tagsüber verharren sie in der dichten Vegetation und bleiben so von insektenfressenden Vögeln meist unentdeckt.
Lebenszyklus von zwei Jahren
Die Paarung findet nachts statt, weshalb bislang nur wenige Forscher*innen die Tiere dabei beobachten konnten. Nach der Paarung legt das Weibchen die Eier einzeln in oberen Sandschichten ab. Nach zwei Jahren im Sand spinnen sich die Larven in einen Kokon ein und verpuppen sich. Aus der kugelförmigen Puppe schlüpft dann im Sommer die erwachsene Ameisenjungfer. In Deutschland kommt die Gewöhnliche oder Gemeine Ameisenjungfer am häufigsten vor. Ihr Leben währt allerdings nur sehr kurz. Nach wenigen Sommerwochen ist es schon wieder vorbei.
PM Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V.