Kampfmittel in Böden und Gewässern können lebensgefährlich sein. Auch mehr als 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges sind die Probleme noch nicht beseitigt – im Gegenteil: durch äußere Einwirkungen nehmen das Gefahrenpotenzial und das Risiko der Selbstdetonation zu. Allein im Zweiten Weltkrieg fielen ca. 1,35 Mio. Tonnen Abwurfmunition auf das Gebiet des damaligen Deutschen Reiches. Auf das Land Baden-Württemberg entfielen ca. 100.000 Tonnen Abwurfmunition. Hiervon detonierten etwa 10 bis 15% nicht. Darüber hinaus befinden sich ungezählte Kampfmittel aus Bodenkampfhandlungen, der unsachgemäßen Entledigung, dem Übungsbetrieb und letztendlich aus der Produktion sowie der Vernichtung in den Nachkriegsjahren in Böden und Gewässern. Um diese gegenwärtigen Gefahren zu beseitigen, stehen mit mehreren Jahrzehnten Erfahrung die Frauen und Männer des Kampfmittelbeseitigungsdienstes vom Regierungspräsidium Stuttgart zur Stelle.
Im Jahr 2017 wurden von der Polizei und anderen Dienststellen 825 Munitionsfunde (2016: 886) gemeldet. Die geborgene Munition hatte ein Gesamtgewicht von 50.585 kg (2016: 102.613 kg). Der starke Rückgang des Gesamtgewichts der Munitionsfunde ist auf ein deutlich geringeres Fundaufkommen auf von privaten Kampfmittelräumdiensten betreuten Räumstellen zurückzuführen. Unter den Funden befanden sich 21 Bomben (2016: 19) mit einem Mindestgewicht von 50 kg.
Im Jahr 2017 wurde auch eine Bombe mit einem hochbrisanten chemischen Langzeitzünder gefunden, die am 19.11.2017 in Schönaich entschärft wurde. Die Gefahr, die von solcher Munition ausgeht, ist ein Vielfaches höher als bei herkömmlicher Munition und birgt ein erhebliches Risiko beim Entschärfungsvorgang. Aufgrund des hohen Risikos muss jederzeit mit einer kontrollierten Sprengung gerechnet werden.
Bei jedem Auffinden von Fliegerbomben, egal ob bei Aufschlag- oder Langzeitzündern, entsteht ein enormer logistischer und organisatorischer Aufwand bei den Städten und Gemeinden sowie bei der Polizei, Feuerwehr und den Hilfsorganisationen, um die notwendigen Vorbereitungen zur Evakuierung der Bevölkerung zu treffen. Dabei müssen nicht selten in großen Ballungsgebieten mehrere Hundert oder sogar Tausende Menschen ihre Behausungen oder Arbeitsstätten verlassen.
Neben der Bombenbergung darf die Gefahr, die von Kleinmunition ausgeht, ebenfalls nicht unterschätzt werden. Gerade solche Munition wurde vielfach in Kampfhandlungen verwendet und kann ein unvorhersehbares Risiko beherbergen und sorgt für die meisten Unfälle bei der Bergung. Regierungspräsident Wolfgang Reimer betont: „Ich weiß zu schätzen was der Kampfmittelbeseitigungsdienst leistet, um Baden-Württemberg jeden Tag ein kleines bisschen sicherer zu machen. Ich möchte die Gelegenheit daher nutzen, mich bei den Frauen und Männern für ihren unermüdlichen Einsatz zum Wohle der Allgemeinheit zu bedanken. Mehr als 70 Jahre Erfahrung in der Kampfmittelbeseitigung haben zu einem beeindruckenden Maß an Professionalität geführt. Dafür zolle ich den Mitarbeitern meinen größten Respekt und meine Hochachtung.“
Neben der Munitionsbergung und -vernichtung obliegt dem KMBD die Luftbildauswertung. Im Jahr 2017 gingen insgesamt 1.786 Anträge zur Luftbildauswertung von Bauherren, Baufirmen, Ingenieurbüros und Kommunen beim Kampfmittelbeseitigungsdienst ein (2016: 2.252). Im Archiv stehen den Mitarbeitern 110.000 Luftaufnahmen der alliierten Streitkräfte zur Verfügung. Der signifikante Auftragsrückgang ist auf die bestehenden Wartezeiten von derzeit 37 Wochen zurückzuführen. Regierungspräsident Wolfgang Reimer erklärt dazu: „Das Regierungspräsidium ist bemüht, die Anträge schnellstmöglich zu bearbeiten und bittet für die Unannehmlichkeiten aufgrund der derzeitigen Wartezeiten um Verständnis. Derweil wird intern an Verbesserungen der Abläufe zur Bewältigung dieser hohen Antragszahlen gearbeitet. Zugleich werben wir seit mehreren Jahren beständig für eine Verbesserung der Personalausstattung.“
Weiter unterstützt der KMBD bei der Überprüfung von mit Kampfmitteln belasteten Flächen. Im Jahr 2017 wurde eine Fläche von 191.468 m² (2016: 194.000) abgesucht, um eine Bebauung zu ermöglich. Dies entspricht einer Größe von rund 26 Fußballfeldern.
Am Sitz des KMBD im Sindelfinger Wald wurden zudem im Jahr 2017 58.379 kg Munition (2016: 93.880 kg) und 27.196 kg Waffen (2016: 27.650 kg) vernichtet. Dies ergibt eine Anzahl von etwa 16.400 Waffen (2016: 16.600). Zu den Waffen zugehörige Munition mit einem Gewicht von 11.518 kg (2016: 8.500) wurde ebenfalls vernichtet. Seit dem Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009 wird von der freiwilligen Waffenabgabe vermehrt Gebrauch gemacht. Seit diesem Schlüsselereignis wurden über 200.000 Waffen beim KMBD abgegeben und vernichtet. Regierungspräsident Wolfgang Reimer führt in diesem Zusammenhang aus: „Ich möchte an alle Waffenbesitzer appellieren: Bitte überprüfen Sie stets das Erfordernis Ihres Waffenbesitzes. Sollte eine Waffe illegal in Ihren Besitz gekommen sein, nutzen Sie die Amnestieregelung bis 01.07.2018, um die Waffen bei den Waffenbehörden abzugeben und eine ordnungsgemäße Vernichtung sicherzustellen.“
Hintergrundinformationen:
Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg, seien es Granaten, Patronen, Minen oder Bomben, die über den Industriezentren Baden-Württembergs wie Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn, Friedrichshafen und Ulm abgeworfen wurden, aber nicht detoniert sind, stellten – und stellen bis heute – eine erhebliche Gefährdung für die Bevölkerung dar. Wann immer Blindgänger gemeldet werden oder Bauvorhaben auf Geländen anstehen, die über die Luftbildauswertung als besonders gefährdet für diese Altlast gelten, kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) zum Einsatz.
1946 wurden erstmals Sprengkommandos eingesetzt, die mit Fachleuten besetzt waren und so eine fachgerechte Beseitigung der Munition gewährleistete. Hieraus entstand der KMBD. Zum 1. Mai 1971 wurde die Zuständigkeit auf das Regierungspräsidium Stuttgart übertragen. Das dortige Referat 16 ist zuständig für alle vier Regierungsbezirke in Baden-Württemberg.
Der Einsatzbereich reicht von der Entschärfung von Kampfmitteln über die Beförderung geborgener Kampfmittel bis hin zur Vernichtung und der anschließenden Verwertung des angefallenen Materials. Die Vernichtung findet im Sindelfinger Wald statt, wo der KMBD auf einer Fläche von rund 6 Hektar seinen Sitz hat.
Nicht alle Bomben lassen sich entschärfen. Dies kann vor allem bei Bombenlangzeitzündern der Fall sein. In letzter Konsequenz werden derartige Bomben kontrolliert zur Detonation gebracht.
Neben der Entschärfung von Bomben und der Vernichtung der Kriegsmunition kümmert sich der KMBD auch um die Vernichtung von abgegebenen Waffen, deren Munition und verbotener Gegenstände nach dem Waffengesetz. Ein Großteil der zu vernichtenden Waffen ergibt sich aus jenen, die freiwillig von Bürgern bei den Polizei- oder Waffenbehörden abgegeben werden. Die gesammelten Waffen werden vom KMBD in eigenen Vernichtungsöfen ausgebrannt und anschließend zur Einschmelzung verbracht.
Zurzeit sind 33 Mitarbeiter beim KMBD beschäftigt – darunter neun Feuerwerker, vier Munitionsvorarbeiter, zehn Munitionsfacharbeiter und sechs Luftbildauswerter.
Bis zu neun Teams werden jeden Tag losgeschickt, um Blindgänger und Munition des Zweiten Weltkrieges zu bergen. Ein Bereitschaftsdienst stellt die Einsatzfähigkeit nach Dienstschluss und an Wochenenden und Feiertagen sicher. Die Leitung des KMBD hat derzeit Ralf Vendel inne.
PM