Der Ton ist rauer geworden in unserer Gesellschaft. Unumwunden geben Leute ihre Meinung in den sozialen Netzwerken kund. Und schießt jemand mit seinem Kommentar über das Ziel hinaus oder trifft nicht den angemessen Ton, hören wir als lapidare Entschuldigungen: „Das wird man doch noch sagen dürfen.“ bzw. „Ich hab´ keinen Bock mehr auf Political Correctness.“ Auch in vielen Leserzuschriften wird dies deutlich. Der raue Ton und die soziale Kälte gehen meist Hand in Hand.
Da scheint die Vorweihnachtszeit gerade recht zu kommen. Denn wenigstens jetzt, im Advent und an Weihnachten, soll alles anders sein. Schließlich verbinden sich hohe Erwartungen und große Gefühle mit dem Fest der Liebe. Sie machen uns dünnhäutig und verletzlich. Manchmal führen sie uns auch zu Enttäuschungen, weil wir voneinander mehr an Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme, an Versöhnung und Erneuerung erwartet hatten, als sich dann ereignet.
Aber in der Advents- und Weihnachtszeit geht es in erster Linie nicht um das Maß unserer Freundlichkeit und Menschenliebe, sondern um das, was Gott für uns tut. So können wir im Titusbrief lesen: „Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig…“. Das bleibt uns. Auch wenn der ganze Trubel vorbei ist.
Die Freundlichkeit und die Menschenliebe Gottes bleiben. Sie trösten und befreien uns. Denn in der Heiligen Nacht gibt sich Gott in einem hilflosen Kind als menschenfreundlich und liebevoll zu erkennen. In der Krippe beginnt, wofür Jesus Christus mit seinem Leben steht: Er richtet die Gebückten und Niedergeschlagenen auf und sieht die Menschen freundlich an.
Im Blick auf die Krippe wächst die Hoffnung, dass unsere Gemeinschaft mit Gott und untereinander gelingen kann. Dass endlich die Schwester den Mut bekommt, auf den Bruder zuzugehen, mit dem sie sich über die Pflege der Eltern zerstritten hat. Dass der Mitschüler die Kraft findet, sich beim Mitschüler zu entschuldigen, über den er Hässliches getwittert hat. Dass die vielen Interessensvertreter im Krieg in Syrien endlich aufhören, ihren eigenen Vorteil zu sichern, sondern danach fragen, wie die Menschen in Sicherheit und Frieden leben können.
Der Advent, das Heranwarten auf Weihnachten, speist genau diese Sehnsucht auf ein geschwisterliches, friedliches Leben. Machen wir es doch wie Gott, werden wir Mensch und schauen einander mit den Augen von Jesus Christus an. Mag sein, dass Freundlichkeit und Menschenliebe nicht im Trend liegen. Doch wer will schon immer im Trend sein?!
Pfarrerin Kerstin Hackius, Ev. Lutherkirche Eislingen