Sonntagsgedanken: Das Schwerste ist Glaubwürdigkeit

Dem weisen Philosophen Sokrates wollte jemand etwas erzählen. Sokrates fragte ihn, ob er es durch die drei Siebe gesiebt hat. Der Mann war erstaunt. Da erklärte Sokrates: „Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du geprüft, ob wahr ist, was du erzählen willst?“ Der Erzähler hatte nur davon gehört. Sokrates fuhr fort: „Das zweite Sieb ist die Güte. Ist gut, was du erzählen willst?“ Das musste der Erzähler verneinen. Sokrates: „Lass uns das dritte Sieb nehmen. Ist es notwendig, mir das zu erzählen?“ Auch das konnte der Erzähler nicht bestätigen. Da bat Sokrates den Erzähler, seine Geschichte für sich zu behalten.

Drescher-Pfeiffer PortraitWie gehen wir mit der Wahrheit um? „Kretschmann schummelt“, war letzte Woche zu lesen und zu hören. Was sagen wir einem lebensbedrohend Erkrankten auf seine Frage nach seinen Heilungschancen?

Wahrhaftig und glaubwürdig zu sein ist nicht einfach. Es ist mehr, aber nicht weniger, als die richtige und vollständige Wiedergabe von Fakten. Das lehrte auch schon Martin Luther zum achten Gebot: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.“
Was wir sagen, lässt sich oft nur schwer trennen von unseren Werten und unseren Interessen. Wir wollen gut dastehen und etwas erreichen. Unsere Interessen sollten wir redlicherweise auch offenlegen.

Zum redlichen Umgang miteinander gehört auch, dass das Interesse an der Person des anderen und an der Sache deutlich werden. Provokation und Tabubruch um ihrer selbst willen sind nicht wahrhaftig und fallen einem auf die eigenen Füße. Wenn einem nichts mehr heilig ist, wie kann man dann erwarten, von anderen ernst genommen zu werden?

Wir merken immer wieder, dass unsere Taten lauter sprechen als unsere Worte. Da ist es gut, das vor sich selbst und anderen zugeben und sich entschuldigen zu können. Da sollten wir uns und andere nicht mit unterschiedlichen Maßstäben messen. Die Fähigkeit zur Selbstkritik erscheint dann nicht als Schwäche, sondern als Stärke. Die Maxime „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an…“ untergräbt dagegen die eigene Glaubwürdigkeit. Wenn man im Kleinen oder im Großen etwas erreichen will, ist es gut, all das zu beherzigen. Dann kann man auch glaubhaft für das stehen, was einem wichtig ist. Erhard Eppler sagte schon vor Jahrzehnten: „Das Schwerste ist Glaubwürdigkeit“ – und das war nicht in erster Linie an den politischen Gegner gerichtet.

 

Pfarrer i.R. Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer

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