Morgen, dem 4. Fastensonntag wird die Mitte der Fastenzeit überschritten. Mit dem Wort „Lätare“ – Freue dich – aus der Liturgie des Tages erhält dieser seine Prägung.
Das Gleichnis im Evangelium berichtet uns von zwei ungleichen Brüdern. Obwohl wir doch scheinbar viel über den Charakter der zwei erfahren, bleibt doch vieles offen. Es bleibt offen, warum der jüngere Bruder weggeht. Was war sein Antrieb, was war sein Motiv? Und es bleibt offen, wie es zwischenzeitlich dem älteren ergeht. Wie blickt er dem jüngeren nach, was spielt sich in seiner Seele ab, nachdem jener gegangen und er treu zuhause geblieben ist? Daneben steht die Enttäuschung des älteren Bruders, der sein Erbe bewahrt und nicht verprasste. Zwischen den Beiden der Vater mit seiner Freude über den heimgekehrten, verloren gegangenen Sohn. Und der Vater überbrückt mit seiner Barmherzigkeit den Graben zwischen den Brüdern. Auch wir sind nicht gefeit vor falschen Wegen, vor Irrwegen. Den richtigen Weg zu finden ist nicht immer so einfach. Zu vielfältig sind die Angebote und Reize. Wir haben die Freiheit eigene Wege zu gehen, ein Leben nach unserem Geschmack zu führen. Die Erfahrung der Fremde bleibt uns oft nicht erspart. Können wir dann die eigene Selbstgerechtigkeit überwinden und uns jenen an die Seite stellen, die es bis jetzt vermasselt haben, versagt haben, die Mist gebaut haben? Hier Barmherzigkeit spüren zu lassen würde uns gut anstehen! Auf der Spur der Barmherzigkeit bleiben ist nicht einfach. Gott geht dem Verlorenen nach, bis er es gefunden hat. Jesus richtet dieses Gleichnis an die Adresse der „Frommen“, die sich über seinen Umgang mit den „Sündern“ empören. Ihr Gottesbild ist starr und eng. Sie legen an Gott ihr Maß an, statt sich von Gott messen zu lassen. Gottes Maß ist offen wie eine Umarmung. Er teilt nicht Menschen ein in solche und solche. Was für ein Glück! Das Evangelium will uns sagen, dass die Barmherzigkeit, das Erbarmen, das Mitleiden alle Differenzen überbrückt. Auch der Verlorenste hat die Chance auf Rückkehr bei noch so vielen Um- und Irrwegen in seiner Lebensgeschichte. Die Kraft der Liebe achtet nicht auf Fehler, Schuld und Sünde, deshalb macht der Vater mit einem Kuss den Fehler seines Sohnes wieder gut. Ist das nicht ein tiefes, schönes Zeichen für einen Neuanfang in den Reibereien des Alltags?
Diakon i. R. Uwe Bähr, Bruder Klaus Jebenhausen