Sonntagsgedanken: Gedicht

Andreas Gryphius schrieb einmal folgendes Gedicht: „Mein  sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen; mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen: der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“

Unwillkürlich ziehen wir am Jahresende Bilanz: Wie war das vergangene Jahr? Was wird das kommende Jahr bringen? Wir denken an die Krisenherde der Welt. Wieviel Menschen starben durch Kriege, durch Mord und Hungertod? Es gibt viele Menschen, die sich , oft im Verborgenen, für andere Menschen einsetzten, die für Versöhnung und Frieden und gegen den Hunger ankämpfen. So kann jede und jeder zum Gelingen einer friedlicheren Welt beitragen. Als einmal ein Weiser übers Land reiste, sah er einen sehr alten Mann, der eben einen Johannisbrotbaum pflanzte. Der Weise fragte ihn: „Wann wird das kleine Bäumchen wohl Früchte tragen?“ Der Mann erwiderte: „In 70 Jahren.“ „Du Tor“, sprach der Weise, „glaubst du denn, dass du noch in 70 Jahren leben und die Früchte deiner Arbeit genießen wirst?“ Freudig vollendete der Greis seine Arbeit und antwortete: „Als ich zur Welt kam, da fand ich Johannisbrotbäume und aß von den Früchten ohne dass ich sie gepflanzt habe; so will auch ich einen Baum pflanzen, dass andere davon genießen. Wir Menschen können nur bestehen, wenn einer dem anderen die Hand reicht.“ Genau das ist unsere Situation auch heute. Wir haben nur dieses eine Leben, das einmalig ist, unwiederbringlich und darum hat auch jede unserer Entscheidungen ein sehr großes Gewicht. Vielleicht blickt mancher ängstlich in die Zukunft, wie das nächste Jahr aussehen wird. Was passiert alles, was erleben wir? Wir können nicht nur von der Vergangenheit leben oder nur von der Zukunft träumen. Denn dann vergessen wir den wichtigsten Augenblick in unserem Leben: das Heute. Leo Tolstoi schreibt: „Merke dir, die wichtigste Zeit ist nur eine – der Augenblick.“ Nur über ihn haben wir Gewalt. Der unentbehrlichste Mensch ist der, mit dem uns der Augenblick zusammenführt. Vielleicht erinnern wir uns daran, wenn wir zu Silvester die Sektkorken knallen lassen und den Himmel mit Leuchtraketen erhellen. Erleuchten sie wirklich die Finsternis?  In der Mitte der Nacht bricht der neue Tag an. Neue Tage, die hell werden durch unsere menschliche Nächstenliebe, die ohne Angst in die Zukunft schauen kann, weil sie das Heute – den jetzigen Augenblick bejaht. Das wünsche ich uns allen für das Neue Jahr 2026.

Winfried Hierlemann Pfr. i.R. Süßen

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