In meiner Kindheit war er noch ein staatlicher Feiertag, heute lockt er nur noch wenige Menschen in den Gottesdienst: Der Buß- und Bettag. Ich gestehe, dass ich Verständnis habe für jeden, der abends nach der Arbeit den Weg zur Kirche nicht mehr gehen will. Und doch glaube ich, der Buß- und Bettag ist ein wichtiger Tag in unserem Kirchenjahr. Über seine Gestaltung kann man sicher trefflich streiten. Aber er ruft Wichtiges in Erinnerung.
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? So heißt es in Psalm 8,5. Und genau darum geht es aus meiner Sicht am Buß- und Bettag: Was ist der Mensch? Wer bin ich?
Was ist der Mensch? Das ist zum einen die kritisch-nachdenkliche Frage: Was maßen wir Menschen uns an? Und wo erheben wir uns vielleicht zu Unrecht über andere, über die Natur? Der Buß- und Bettag stellt alle menschlichen Allmachtsfantasien heilsam in Frage. Er hilft uns, uns wieder neu zu verorten im Gefüge der Schöpfung. Hilft uns, unseren Platz wiederzufinden, nämlich Geschöpf zu sein und nicht Schöpfer.
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Das ist aber auch ein Zuspruch. Was bin ich denn? Eine, an die Gott denkt. Geliebt von Gott, wie im besten Fall Eltern ihr Kind lieben. In seinen Augen so wertvoll, dass er sich meiner annimmt.
Als Tag des Gebets lädt unser Feiertag dazu ein, sich bei ihm zu bergen, mit allem, was ist. Mit allen Irrwegen und Anmaßungen. Mit allen Fragen und Verletzungen. Mit meiner Freude, meinem Dank, meinem übervollen Herzen. Mit meiner Trauer, meiner Angst, meiner Sprachlosigkeit.
Es ist gut, dass es öffentliche Gottesdienste dafür gibt. Orte, wo gemeinsam gebetet werden kann. Orte, wo gemeinsam nachgedacht werden kann über unsere Welt, unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben.
Vielleicht aber muss der Buß- und Bettag auch gar nicht so sehr ein Tag vieler Worte sein. Vielleicht ist er viel mehr ein Tag, an dem ich spüre, wo mein Platz ist. Heilsam-begrenzend und heilsam-bergend zugleich.
Pfarrerin Miriam Springhoff, Evang. Kirchengemeinde Dürnau-Gammelshausen