Eigentlich gibt es das Wort „schnelllebig“ nicht, denn die Zeit vergeht für jeden von uns gleich schnell! Nur kommt es uns manchmal so vor, dass die Zeit schneller vergeht, vor allem jetzt in der zweiten Jahreshälfte, wenn es schon wieder unaufhaltsam Herbst wird, und wir das Gefühl haben, dass das Jahr 2025 bald schon wieder vorbei ist. Aber das ist ein subjektives Empfinden – in Wirklichkeit leben wir im September nicht schneller als im Juni.

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Schnelllebig ist unsere Welt allerdings in anderer Hinsicht: Dinge gelten oder behalten ihren Wert immer kürzer. Hat man früher auf seinen guten Wintermantel Jahrzehnte aufgepasst, kommt heute das gute Polyester-Stück nach zwei Wintern in den Kleidersack, weil der chinesische Versandhändler mir schon wieder etwas Neues schmackhaft gemacht hat. Und wer mag sich denn heute noch auf die Zusage von jemandem verlassen? „Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen.“ – darauf baut heute keiner mehr seine Zukunft auf! „Lebenslange Garantie.“ – Tupper lässt grüßen! Und der amerikanische Präsident führt uns jeden Tag vor Augen, was Versprechungen oder Zusagen noch wert sind: nichts! Heute so und morgen anders, das ist der Trend der Zeit! Schnelllebig ist alles geworden, man kommt kaum noch hinterher!
Ein uns unbekannter jüdischer Gelehrter hat im ersten Jahrhundert vor Christus ein Buch verfasst, das das jüngste des Alten Testaments ist, das Buch der Weisheit. Und er scheint eine gute Menschenkenntnis gehabt zu haben, wenn er schreibt: „Unsicher sind die Überlegungen der Sterblichen, einfältig sind unsere Gedanken. Irdische Dinge belasten den um vieles besorgten Verstand.“
Manchmal lässt uns das, was um uns herum geschieht, am gesunden Menschenverstand zweifeln. Und jeder, der heute für Mitarbeitende, für die Umwelt, für seine Kinder oder für seine Eltern Verantwortung trägt, weiß, wie belastend es sein kann, wenn man sich Gedanken über die Zukunft macht: wie es mit dem Weltfrieden, dem Weltklima oder der politischen Weltordnung weitergehen wird. Es ist manchmal wirklich zum Verzweifeln! Unsicher ist alles, was man sich überlegt, denn wer will heute noch verlässlich einschätzen, was in fünf oder zehn Jahren ist?
Ich finde es spannend, dass dieser unbekannte Gelehrte nicht um Gewitztheit, Skrupellosigkeit oder eine Scheißegal-Haltung bittet, um dieser Unsicherheit zu begegnen, sondern um Weisheit! „Durch Weisheit wurden die Menschen gerettet.“, schreibt er. Weisheit ist das genaue Gegenteil von Schnelllebigkeit! Weisheit vertraut auf das Wissen und die Erfahrung der Vorfahren, und spannt einen Bogen in die Zukunft, der auf mehr als einen kurzfristigen Erfolg oder Profit abzielt!
Möge der Herr uns deshalb Weisheit geben in unserer schnelllebigen Zeit!
Pfr. Stefan Pappelau