Von 5-21. April 1945 tobte die Schlacht um Crailsheim, eine der sinnlosesten des gesamten Kriegs. Die US-Army hat die Stadt eigentlich schon befreit, doch die Nazis wollten sie unbedingt halten, weil sie ein zentraler Bahnknotenpunkt war. Darum besetzte die SS die Stadt erneut und die US-Amerikaner mussten sie erneut zurückerobern. Wer sich näher dafür interessiert, möge sich bitte dieses Artikel anhören (die dort erwähnten Vorfälle von Brettheim werden noch extra behandelt):
Das politische Wort zum Sonntag: über 80 Jahre Schlacht um Crailsheim, 20 Jahre Tod von Karol Wojtyla und Brüderlichkeit
Ungarn war komplett besetzt, die Kapitulation von Wien stand unmittelbar bevor (dort gelang dies zum Glück mit wenig Blutvergießen) und der Angriff auf Berlin stand unmittelbar bevor. Kurz gesagt: NS-Deutschland und seine noch verbleibenden Schergen waren am Ende. Warum dieses sinnlose Blutvergießen? Die einstige Perle an der Jagst wurde unwiederbringlich zerstört und es forderte noch weitere unnötige Opfer. Der Wahnsinn des April 1945 muss uns bis heute Lehre sein!
Dann starb am 2. April vor 20 Jahren Papst Karol Wojtyla. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich damals die Berichterstattung um sein vermutlich baldiges Ableben verfolgte und sich meine Trauer bei seinem Tod in Grenzen hielt, da ich damals kein Fan von ihm war. Seine sehr konservative und unnachgiebige Art waren damals nicht unbedingt meines. Erst nach seinem Tod wurde mir bewusst, was für ein großer Mann er war und welche übermenschlichen Leistungen er vollbracht hat. Er hätte 10 Jahre vorher abtreten sollen, aber die Zeit bis dahin war geprägt von großen Taten.
Seine unnachgiebige Art war ein Segen für Europa und die Demokratie, denn ich wage zu bezweifeln, dass der Bolschewismus ohne ihn so schnell besiegt worden wäre. Durch seine Wahl zum Papst 1978 ging ein Ruck durch sein polnisches Heimatland, Solidarnosc war erst möglich und dieser Geist weitete sich auf alle sozialistischen Staaten aus, was zur Wende 1989 führte. Wojtyla wurde von Faschisten und Kommunisten verfolgt, aber er blieb standhaft, seinen Idealen treu, leistete heldenhaften Widerstand und kämpfte für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Hätten sich Karol Wojtyla und ich gekannt, wären wir sicher schnell aneinander geraten, da ich sein sehr konservatives Gesellschaftsbild überhaupt nicht geteilt habe und mit seiner unnachgiebigen Art hätte er sicher nicht so schnell aufgegeben und versucht mich von seinen Standpunkten zu überzeugen. Dann hätten wir aber sicher schnell mehrere gemeinsame Nenner in Bezug auf Umweltschutz, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Kampf gegen Extremismus gefunden und in diesen Punkten an einem Strang gezogen. Ich wünsche mir auch heute wieder mehr Menschen wie Karol Wojtyla, denn wir brauchen sie gerade so dringend wie schon lange nicht mehr. Ich für meinen Teil werde mich an ihm orientieren.
Im letzten Wort zum Sonntag habe ich das Thema „Brüderlichkeit“ kurz angeschnitten. Als ich Freitag Abend vor dem Einschlafen noch über den Tag sinniert habe, wurde mir bewusst, dass die Brüderlichkeit, die ich mir eigentlich wünsche, ich selbst nicht in der Lage bin, zu leben – das hat mich traurig gemacht. So nenne ich Menschen, die aus den neuen Bundesländern oder aus dem Ausland in die alten kommen „westdeutsche Brüder“ und nicht deutsche. Ich bin also nicht in der Lage zur innerdeutschen Brüderlichkeit. Darüber habe ich mich in den letzten Tagen mit mehreren Leuten ausgetauscht und habe interessante Antworten erhalten. U. a. müsse man ja nicht zu allem sofort in der Lage sein, sondern kann auch auf ein Ideal hinarbeiten. Und ich habe mir überlegt, wo die Grenzen der Brüderlichkeit sind. Ich werde mich z. B. nie mit Extremisten verbrüdern. Wenn diese aber bereit sind, wieder auf den Boden der Brüderlichkeit zurückzukehren, wäre ich auch bereit, sie als meine Brüder zu bezeichnen.
Was würde Karol Wojtyla zu diesem Thema sagen? Er hat sich weder mit Faschisten, noch mit Bolschewisten verbrüdert, sondern blieb standhaft – das war absolut richtig. Speziell bei den innerdeutschen Spannungen würde er sich wahrscheinlich zuerst über die Gottlosigkeit der neuen Bundesländer ärgern und sich überlegen, wie er seine katholischen Dogmen den Menschen dort vermitteln könnte. Dann würde er aber versuchen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sprich, er würde versuchen, Radikale und Extreme auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit zurückzuholen. Erfolg ist dabei natürlich fraglich. Trotzdem sollten wir es versuchen. Ich kenne auch in den neuen Bundesländern viele anständige Menschen, die ich als meine Brüder bezeichne. Ich habe versucht, sie zur Migration in den Westen zu bewegen, was aber keiner getan hat. Darum hoffe ich, dass sie möglichst viele Menschen erreichen und sie zu Brüdern machen.
Marcel Kunz
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