„Du darfst nicht alles glauben was du hörst! Du musst Dinge hinterfragen, dich kritisch damit auseinandersetzen und nicht alles für bare Münze nehmen.“
Kennen Sie diese oder ähnliche Sätze? In unserer Gesellschaft wird kritisches Hinterfragen immer wichtiger. Wer es nicht tut wird direkt als naiv und leichtgläubig abgestempelt. Es muss immer alles hinterfragt werden. Wer viel hinterfragt, wird vom Umfeld positiver wahrgenommen. Und natürlich ist es sehr wichtig, dass Dinge kritisch hinterfragt werden und eine eigene Meinung gebildet wird. Besonders in einer Gesellschaft, in der durch die mediale Schnelllebigkeit auch immer schneller Fake-News verbreitet werden können. Und trotzdem stelle ich mir die Frage: Wem glauben und vertrauen wir eigentlich uneingeschränkt? Und wenn immer alles hinterfragt werden muss: Was können wir eigentlich noch glauben?
Im heutigen Sonntagsevangelium geht es um den Jünger Thomas, der oft liebevoll der „ungläubige Thomas“ genannt wird. Nach seiner Auferstehung kommt Jesus zu den Jüngern, zeigt sich ihnen und spricht mit ihnen. An diesem Tag ist Thomas allerdings nicht dabei und verpasst damit die Begegnung mit Jesus. Die Jünger erzählen es ihm zwar danach, aber er sagt, dass er es erst glauben kann, wenn er es mit eigenen Augen sieht. Thomas hinterfragt hier also kritisch, was die anderen Jünger ihm erzählen. Und genau das, was in unserer Gesellschaft so beliebt ist, wird Thomas negativ ausgelegt. Allein der Name „ungläubiger Thomas“ sagt schon viel aus. Aber warum? Vermutlich, weil es hier um mehr geht. Die Botschaft Jesu und der Glaube an seine Auferstehung wird für nachfolgende Generationen durch diese Begegnung glaubwürdig. Aber genau hier spielt Thomas eine wichtige Rolle: er zweifelt am Anfang und hinterfragt die Begegnung Jesu mit den Jüngern. Als er aber Jesus dann mit eigenen Augen sieht, fängt er an zu glauben. Thomas übernimmt hier die Rolle der Identitätsfigur für Menschen, die ebenfalls zweifeln und gleichzeitig zeigt er uns, dass zum Glauben auch Zweifel gehören darf. Wir dürfen zweifeln, kritisch hinterfragen und trotzdem glauben. Und genauso darf sich jede:r die Zeit nehmen, die er:sie braucht, um den eigenen Glauben zu entwickeln und ihn auch im Laufe der Zeit immer wieder kritisch zu hinterfragen.