Dass Menschen Gott vergessen, ist nicht neu. Ebenso ist nicht neu, dass Gott nicht locker lässt, dass er uns nicht aufgibt und nicht fallen lässt, sondern uns immer wieder an unsere Befreiung erinnert: Befreiung aus inneren und äußeren Gefängnissen, aus Ängsten und Zwängen. Was das mit uns macht, möchte ich „Sehnsucht“ nennen.
Ich sehne mich nach Geborgenheit, Liebe, Glück. Und dies hält uns unruhig und lebendig, ein Leben lang. Im Vergleich zu früheren Generationen leben wir zwar länger. Doch früher haben die Menschen allgemein an ein „ewiges“ Leben geglaubt. Wir modernen Zeitgenossen dagegen – wir haben die Ewigkeit nicht mehr im Gepäck.
Ob diese Rechnung für unsere Sehnsucht nach Leben und Glück aufgeht? Viele leiden an ihrer unerfüllten Sehnsucht: Immer nur arbeiten, kaufen, sich vergnügen – das genügt vielen nicht mehr für ihr Leben. Die Sehnsucht nach Leben und Glück ist maßlos, weil sie sich niemals zufrieden gibt!
Ich stelle mir vor: Ich habe alles Erdenkliche im Leben erreicht. Alle Träume haben sich erfüllt, alle Ideen konnte ich verwirklichen, alle Ziele erreichen. Doch dann wird es nicht lange dauern, und ich werde weiter suchen, was mir vielleicht noch fehlt. Und das kann nur Gott sein!
Wie auch immer sich die ganze Welt entwickelt hat und geworden ist, eines scheint wichtig: Gott hat alles aus Liebe geschaffen. Und diese Liebe zieht mich an, hält mich in Atem. Gott, dem gilt letztlich meine Sehnsucht, auch wenn mir das nicht bewusst ist. Der Hunger und der Durst nach Gott – solche Erfahrungen sind nicht neu, die gibt es schon Tausende von Jahren.
Unsere maßlose Sehnsucht entspringt der liebenswürdigen Art Gottes, sich bei uns in Erinnerung zu halten, wenn wir Gefahr laufen, ihn zu vergessen.
Die Katholiken feiern morgen Fronleichnam: Jesus ist das „lebendige Brot“, das wir im Abendmahl bekommen – die endgültige Erfüllung unserer Sehnsucht nach echtem Leben und vollendetem Glück!
Siegfried Seehofer
Katholisches Dekanat Göppingen-Geislingen