Am 13. Febraurhaben wir auf k-punkt-rottenburg.de einen Brief der Betroffeneninitiative Süddeutschland an Ministerpräsident Kretschmann veröffentlicht. Bezug ist die Aussage Kretschmanns, die Aufarbeitung in der Katholischen Kirche sei soweit ganz gut.
An das
Staatsministerium Baden-Württemberg
Den Ministerpräsidenten Herrn Winfried Kretschmann
Richard-Wagner-Straße 15
70184 Stuttgart
Freiburg, 13. Februar 2023
Ihre Aussagen zum Thema Aufarbeitung von Missbrauch durch die katholische Kirche vom 12. Januar im SWR
Sehr geehrter Herr Kretschmann,
wir wenden uns an Sie zum einen wegen Ihrer Aussagen zum Thema Aufarbeitung der Missbrauchs-Verbrechen durch die Kirche und zum anderen, weil wir in Ihnen einen Betroffenen oder Mitbetroffenen sehen, denn so verstehen wie Ihre Aussage in der SWR-Sendung „Zur Sache“ vom 12. Januar 2023: „Ich war selber in einem katholischen Internat, und habe all das dort erfahren, was man jetzt so alles darüber weiß“.
Mit Ihrer Aussage, die Kirchen machten das mit der Aufarbeitung gut, sind nicht nur wir nicht einverstanden. Über ein Gespräch, in dem wir Ihnen die Gründe mitteilen könnten, würden wir uns sehr freuen. Als Religionsbeauftragter treffen Sie vor allem Bischöfe. Sollten Sie nicht auch mit Betroffenen sprechen, um bewerten zu können, wie gut oder schlecht die Aufarbeitung von Missbrauch durch die Täterorganisation (den Ausdruck zu verwenden findet auch Bischof Bätzing, der Vorsitzende der DBK korrekt) funktioniert?
Was auch immer Sie in Riedlingen selbst erlebt oder mitbekommen haben mögen: Lebenswelt und Umgang von Betroffenen mit den an ihnen begangenen Taten sind sehr unterschiedlich. Einige bleiben der Kirche verbunden, andere wenden sich ab. Die einen schaffen es, in ein bürgerliches Leben zu finden, andere wollen es nicht, und viele schaffen es wegen der Traumafolgeschäden nicht.
Dass Menschen, die in einem Internat ihre Jugend verbracht haben, nicht ganz brechen möchten mit einer Zugehörigkeit, einer Herkunft, ist nachvollziehbar und häufig. Diese Reaktion schafft ein (positiv) voreingenommenes Verhältnis zur Kirche.
Wir möchten Sie einladen, andere Realitäten und Standpunkte kennen zu lernen als die weiterhin treuer Katholiken und oftmals privilegierter Absolventen von katholischen Internaten. Es gäbe viel zu erzählen zu den Themen (verweigerte) Akteneinsicht, Intransparenz der Aufarbeitungsprozesse sogar gegenüber befragten Betroffenen, Umgang mit Betroffenen überhaupt. Sie wissen sicher auch, dass sowohl Parteigenoss*innen (z.B. Frau Lamya Kaddor) also auch anderer Katholiken (wir nennen nur Pater Zollner) Ihre Sichtweise nicht teilen.
Über eine positive Rückmeldung bezüglich eines Treffens würden wir uns sehr freuen und stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Pollner (Vorsitzende) für die Betroffeneninitiative Süddeutschland e.V.
Hermann Schell (Vorsitzender) für den Verein MissBiT e.V. („Missbraucht im Bistum Trier“)