SONNTAGSGEDANKEN: Der Zauber eines Wortes

Ich habe ein Zauberwort gefunden, das meinem Leben guttut. Darauf gestoßen bin ich in einem Buch, das ich vor kurzem gelesen habe. Eine junge Frau beschreibt darin die Geschichte mit ihrer Mutter, die sich fest an die Tochter klammert und sie nicht in ein eigenes Leben entlassen möchte.

Noch bevor das Buch beginnt, hat die Erzählerin ihrer Geschichte ein Wort vorangestellt, das ich noch nie gehört hatte: „Meinwärts“. Vermutlich wollte sie damit zum Ausdruck bringen: Ich habe in meinem Leben eine Richtung erkannt, in die ich gehen muss. Ich muss mich lösen und aufbrechen zu etwas Neuem. Nur so kann ich zu mir selbst, zu meinem eigentlichen Ich finden. „Meinwärts“ heißt die Richtung. Als ich dieses Wort, das es in der deutschen Sprache gar nicht gibt, zum ersten Mal gehört habe, war ich wie vom Blitz getroffen. Ich fühlte mich wie der Beter des 31. Psalms, der seinem Gott sagt: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“. Ja, auch ich möchte meinem Leben so ein Wort voranstellen, das mir die Richtung weist und mir für all meine Entscheidungen eine Orientierung gibt. Es soll heißen: „Deinwärts“. Das ist meine tiefste Sehnsucht: zu dem hinwachsen und auf den sehen, welcher „der Anfänger und Vollender meines Glaubens ist“ (Hebräer 12,2): Jesus Christus. Ihm möchte ich nacheifern an Liebe zu seinem himmlischen Vater, an Ernsthaftigkeit im Befolge seiner Worte, an Achtsamkeit und Fürsorge für meinen Nächsten. Ich weiß: Ich bin noch weit entfernt davon. Es gelingt mir nur bruchstückhaft und unvollkommen. Aber ich bin in Gottes Liebe geborgen und von seiner Vergebung getragen. Er zieht mich zu sich hin, in seine Richtung, wenn ich mich zu verlieren drohe. Denn es ist auch seine Sehnsucht, dass ich zu meinem wahren Ich finde in der Gemeinschaft mit ihm. Und so geht dieses Wort seit kurzem mit mir als ein Mut machender Begleiter: „Deinwärts“. Ich sage es mir vor, wenn ich z.B. merke, wie mich meine Sorgen und Ängste bestimmen wollen: „Deinwärts“. Dann spüre ich Gottes Gegenwart und Nähe und ich werde ruhiger. Gott wird Wege finden, auf denen mein Fuß gehen kann. Ich kann nur staunen: Wie unfassbar groß ist mein Gott, in kein starres Schema zu pressen! Da gibt er uns so viele gute Worte in der Bibel, die unserem Leben Halt und Trost geben. Und das für mich schönste steht gar nicht in der Heiligen Schrift und ist in keinem Wörterbuch zu finden. Aber Gott hat es mich finden lassen: mein Zauberwort „Deinwärts“.

Dietmar Scheytt-Stövhase

Pfarrer in Albershausen

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