Diesem gerade vergangenen Jahr 2020 weine ich nicht wirklich hinterher. Mir – und wahrscheinlich uns allen – zeigte das Jahr 2020, wie das einst Selbstverständliche zum Privileg wurde, wie das „Normale“ und das Gewöhnliche zum Außergewöhnlichen wurden.
Mir ist das beispielhaft in meinem Beruf aufgefallen. Der ganz normale Handschlag zur Begrüßung oder Verabschiedung an der Kirchentür beispielsweise: Kleine, bis Anfang März noch so selbstverständliche Gesten, denen ich bis dahin gar nicht so viel zugetraut hatte. Doch das Selbstverständliche ist zum Privileg geworden: eine kleine, kurze Berührung wie ein Handschlag. Ein kurzes einander ansehen, sich begrüßen, wahrnehmen und spüren: mein Gegenüber ist da. Ihm oder ihr ein sichtbares Lächeln schenken.
Mir fallen noch viele Situationen ein, die für mich immer so selbstverständlich waren: Kaffeeplausch mit Freunden und Familie, Geburtstagsfeste feiern, ausgelassen sein. In den Momenten konnte man auch schon früher ahnen, dass das etwas Besonderes sein muss, dass die Gesellschaft ein Privileg ist – aber nun wissen wir es. Vermutlich eine Sicherheit auf die wir hätten verzichten können.
„Corona-Pandemie“ ist das Wort des Jahres geworden, hätte es nicht besser das Unwort des Jahres sein sollen? Diese „Corona-Pandemie“ hat unser vergangenes Jahr begleitet und geprägt, und ich nehme immer mehr die Müdigkeit unter den Menschen wahr. Die Krise ist so allgegenwärtig, dass sie nicht zu ignorieren ist, sie hat uns Zeit gekostet, die wir anders geplant hatten. Zeit, in der wir andere Ziele erreichen wollten, mehr erleben wollten. In der Bibel ist im 2.Korintherbrief ein Ausspruch Gottes notiert: „Lass dir an meiner Gnade genügen.“ Lass dir genügen. Ich komme nicht umhin, diesen Ausspruch mir oft als mahnendes Wort, mit schroffer Stimme gesprochen vorzustellen: „Lass gut sein! Es reicht! Das genügt jetzt!“ Doch dieselben Worte können sanft gesprochen, mit liebevoller Stimme eine enorme Entlastung und ein Trost sein: „Lass es gut sein, denn ich sorge für dich. Es reicht schon aus. Nicht was du machst, sondern was ich für dich mache, darauf kommt es an. Es genügt. Meine Gnade genügt. Ich sorge für dich!“
Das ausgeklungene Jahr möchte ich unter diesen Zuspruch stellen. Ein Jahr, das mir an so vielen Stellen eigentlich nicht genügt hat. Doch ich stelle es unter dieses Wort und Gottes Zuspruch: Lass dir an meine Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Pfarrerin Meike Zyball
Pfarramt Johanneskirche
Evangelische Kirchengemeinde Manzen-Ursenwang- Schlat