Wieviele dürfen kommen? Diese Frage treibt in diesen Tagen Kirchengemeinden und Großfamilien um. Lebhaft wird diskutiert und geplant, wie das Weihnachtsfest unter den Bedingungen der Pandemie gestaltet werden kann. Die Großfamilie mit allen Kinder und Enkelkindern soll sich doch treffen können!
Bei Oma gibt’s doch die besten „Spitzbuaba“! Da wollen wir doch hin! Also werden Vorschläge in Whats-App-Gruppen und per E-Mail hin und her gesandt, geprüft und verworfen. Da prescht eine Enkelin mit einer ausgefallenen Idee vor. Wir treffen uns im Freien, machen einen Spaziergang, versammeln uns an einem schönen Platz am Waldrand auf der Alb, schlägt sie vor. Eine Fichte schmücken wir mit ein paar Kerzen. Aus Thermoskannen schenken wir heißen Tee aus. Und – ganz wichtig! – jeder Haushalt bringt „a Gugg voll Breedla“ mit, selbst gebackene natürlich (= eine Tüte Weihnachtsgebäck). Wir singen „O du fröhliche“, „Kommet ihr Hirten“, „Der Heiland ist geboren“ – Lieder, die wir von der Kinderkirche her kennen. Jemand liest die Weihnachtsgeschichte. Die “Breedlesgugga“ (siehe oben) machen die Runde, hm …..! Die erwachsene Enkelin war früher Jungscharleiterin in ihrer Heimatkirchengemeinde. Da war es üblich, mit den Jugendgruppen draußen vor dem Dorf auf diese Art „Waldweihnacht“ zu feiern.
Prima, ein toller Vorschlag! sagen die einen. Zögerliche Zustimmung kommt von den anderen: Was, wenn´s richtig kalt ist? Das wäre doch ungemütlich! Ach was, heißt es dann, man zieht sich warm an. Auf jeden Fall spüren wir eine innere Wärme. Und genau darauf kommt´s doch an! Auf dem Hirtenfeld in der Weihnachtsgeschichte des Lukas war es auch nicht sehr gemütlich. Aber den Hirten wurde es warm ums Herz, als sie die Weihnachtsbotschaft hörten: Euch ist heute der Heiland geboren! —
Ja, dass uns innere Wärme durchströmt, das erwarten wir von Weihnachten. Die gegenwärtige Zeit der Corona-Pandemie erscheint uns unwirklich und unwirtlich. Die öffentlichen Debatten um die richtigen Lösungen sind teilweise so unbarmherzig, so verhetzt und vergiftet. Viele haben Angst vor dem, was alles noch kommen mag. Wer tröstet? Wer läßt uns hoffen? Die Kerzen am Adventskranz geben eine Antwort: In die Unwirtlichkeit der Zeit fällt ein wärmendes Licht. „Eines Tages kam einer, der hatte eine Klarheit in seiner Stimme, eine Wärme in seinen Worten, eine Kraft in seiner Botschaft“ singen wir in einem neuen Kirchenlied. Es ist Jesus, der uns hoffen läßt. Es ist Jesus, dessen Botschaft unser Herz erwärmt. Es ist Jesus, der uns zusammenbringt und uns hilft, der Unwirtlichkeit standzuhalten. Die innere Wärme, die er in uns anfacht, kann nach außen abstrahlen. Zu den anderen. In die Welt. Zeichen dafür kann im Kleinen a Gugg voll Breedla sein. Und im Großen ein Beitrag für Brot für die Welt oder ein anderes Hilfswerk. Oder ein mutiges Wort gegen Haß und Menschenfeindlichkeit. Möglichkeiten gibt es genug.
Pfarrer i.R. Walter Scheck, Göppingen