Als Jesus das erste Mal – am Ostermorgen – in den Kreis seiner Jünger gekommen war, war Thomas nicht dabei. Die Jünger erzählten voll Freude von dieser Begegnung, aber Thomas glaubte ihnen nicht: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ (Joh 20,25) Er ist seither der Zweifler schlechthin.
Wenn heute viele Menschen an der Auferstehung Jesu zweifeln, dann haben sie in Thomas ein Vorbild. Zweifeln gehört zu unserem Glauben. Im Glauben gibt es keine absolute Sicherheit. Viele Fragen bleiben offen. Es gibt immer wieder Zeiten, in den uns Gott fremd ist. Gott bleibt eben der ganz andere, den wir nicht durchschauen und im Grunde nicht verstehen können. Gott ist und bleibt ein Geheimnis. Durch Zweifel geben wir uns nicht mit vorschnellen Antworten zufrieden. Wir fragen weiter. Wir suchen weiter. Und so braucht die Kirche keine leichtgläubigen Menschen. Kritisches Anfragen und Hinterfragen bringen uns weiter.
Auf der anderen Seite zeigt uns Thomas, dass unser Glaube Erfahrung, Nähe und Berührtsein braucht. Gerade jetzt in Zeiten der Coronapandemie vermissen viele schmerzlich die Gemeinschaft. An Ostern durften die Familien nicht zusammenkommen und auch keine gemeinsamen Gottesdienste waren erlaubt – aus Fürsorge und Verantwortung füreinander. Wir dürfen uns nicht zum gemeinsamen Beten und Singen treffen. In der Gemeinschaft werden wir angerührt und dürfen andere berühren. Im Moment leben wir auf Distanz. Vielleicht kann uns diese Zeit die Augen öffnen für die Menschen, die nicht am öffentlichen Leben teilnehmen können und auf Zeichen der Nähe und Verbundenheit angewiesen sind – das ganze Jahr über.
Pfarrer Hubert Rother, Seelsorgeeinheit Voralb