Notfalleinsätze, die in Erinnerung bleiben

Bedrohungslage

Ich werde die Angst aus Kinderaugen, die Anspannung in den Gesichtern der Lehrkräfte, und der Eltern nicht so schnell vergessen.

Ein Notfalleinsatz abseits der Routine. Rettungsfachpersonal war einem speziellen Polizei – Evakuierungsteam zugeordnet.

Da Amoktaten nicht nur im weit entfernten Amerika zu verzeichnen sind, wo der Waffenbesitz zu den elementaren Bürgerrechten zählt, sondern sich zunehmend auch in Deutschland ereignen , möchte ich in einem kurzen Rückblick einen realistischen Einblick in eine akute Amok – Gefährdungslage bieten.

Man weiß, dass Amokläufe den gewalttätigsten und medienwirksamsten Ereignissen zuzuordnen sind, und deutliche Spuren bei den Betroffenen und Umfeld hinterlassen. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Amok als willkürlich, nicht provozierter Ablauf, mörderischer, oder erheblich fremd – zerstörerisches Verhalten beschrieben.

Amoktaten sind im Vergleich zu anderen kriminellen Handlungen eher selten, aber in der Auswirkung immer ein sehr tragisches Tatgeschehen. Die Täter suchen oftmals den eigenen Tod, bei dem zuvor möglichst viele andere Menschen umgebracht oder verletzt werden sollen. Man kann davon ausgehen, dass die Taten gut geplant sind. Zudem muss man annehmen, dass ein Tatentschluss über längere Zeit reift. Amoktaten werden in der Literatur als „Endpunkt eines langen Weges“ beschrieben, der die zielgerichtete, tödliche Gewalt gegen andere als einzige Lösung der Probleme der Täter erscheinen lässt. Mit einem solchen Hintergrundwissen geht man als Notfallretter dann in das aktuelle Einsatzgeschehen.

Die Amokandrohung an einer Schule, in einer kleinen Gemeinde im Landkreis Göppingen sorgte vor Jahren für erhebliche Unruhe. Mit zahlreichen Einsatzkräften im Verbund, war ich mit vor Ort.

Von einer Schulsekretärin wurde auf dem Anrufbeantworter eine Amokdrohung festgestellt. Die Polizei wurde verständigt, und die Einsatzlage wurde als sehr akutes Geschehen eingeordnet. Starke Polizeikräfte, einschließlich Sondereinheiten fahren auf. Rettungsdienste und Einsatzleitung werden hinzu gerufen.

Auf Wunsch der Polizei, wurden ein Kollege und ich, einem speziellem Polizei – Evakuierung – Team zugeordnet. Dieser Sondereinsatz war freiwillig, und wir befanden uns im wahrsten Sinne des Wortes mitten im Geschehen. (Anmerkung: Eine solche Vorgehensweise, wird in der Regel nicht mehr praktiziert. Medizinisches Fachpersonal betritt die Risiko – Einsatzstellen erst nach Freigabe durch die Polizei, bzw. die Personen / Patienten werden durch die Polizei in einem gesicherten Versorgungsbereich an medizinisches Fachpersonal übergeben)

Die Kinder, die sich mit den Lehrkräften in den Klassenzimmer verschlossen hatten, wurden Klasse für Klasse von schwer bewaffneten Spezialeinheiten, im Beisein meines Kollegen und mir evakuiert, und einem Sammelplatz zugeführt. Eine gewisse „Anspannung“ war in diesem „speziellen“ Einsatzgeschehen nicht zu leugnen. Es ist alles gut gegangen, es war letztendlich nur eine „Androhung“ und niemand erlitt körperlichen Schaden. Doch zu dieser Erkenntnis kamen wir aber erst am Einsatzende, und nach langanhaltenden Belastungsphasen.

Man konnte jedoch davon ausgehen, dass für Schüler, Eltern und Lehrer der Einsatz noch nicht vorbei war, und für den einen oder anderen die Zeit des Nachdenkens erst beginnt. Ich werde die Angst aus Kinderaugen, die Anspannung in den Gesichtern der Lehrkräfte, und der Eltern jedenfalls nicht so schnell vergessen.

Nach Rücksprache mit den Schulverantwortlichen, bekam ich die Information, dass von vielen Betroffenen eine fachliche Nachsorge in Anspruch genommen wurde.

Als Einsatzbeteiligter wurde ich gebeten, meine Einsatzerfahrungen in Form einer innerbetrieblichen Fortbildungsmaßnahme zu vermitteln.

Positiv einzuschätzen war das besonnen Verhalten der Einsatzkräfte. Die polizeiliche Kommunikation mit Schülern, Lehrkräften und Eltern an der Sammelstelle (Turnhalle) war beeindruckend und hochprofessionell.

Alfred Brandner

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