Unternehmen im Kreis Göppingen sollen sich an Tarifverträge halten – NGG warnt vor Tarifflucht – Appell an 6.300 Betriebe im Landkreis

Schlechtere Bezahlung, längere Arbeitszeiten, weniger Urlaub: Beschäftigte, die im Landkreis Göppingen in einem Unternehmen arbeiten, in dem kein Tarifvertrag gilt, sind im Job klar benachteiligt. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hingewiesen. Nach Einschätzung der NGG hält sich mittlerweile ein Großteil der rund 6.300 Betriebe im Kreis nicht mehr an Tarifverträge. Das hat auch Folgen für die Unternehmen selbst, warnt Gewerkschafterin Karin Brugger: „Tariflose Firmen haben in puncto Motivation und Produktivität der Mitarbeiter meist schlechtere Karten. Auch die Suche nach Fachkräften fällt ihnen schwerer“, so die Geschäftsführerin der NGG Ulm-Aalen-Göppingen mit Blick auf aktuelle Studien der Hans-Böckler-Stiftung.

Brugger ruft die Firmen in der Region dazu auf, sich zur Sozialpartnerschaft und zur Mitbestimmung zu bekennen. „Gerade beim digitalen Wandel der Arbeitsplätze muss man die Belegschaften mitnehmen. Gewerkschaften und Betriebsräte sichern nicht nur Jobs. Sie helfen auch dabei, die Zukunft zu gestalten – von neuen Arbeitszeitmodellen bis hin zur Weiterbildung der Mitarbeiter.“

Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiteten zuletzt 50 Prozent der Beschäftigten in Baden-Württemberg in einem Betrieb mit Tarifvertrag. In ganz Westdeutschland liegt die Quote bei 57 Prozent – im Jahr 2000 waren es noch 70 Prozent. Nach Beobachtung von Gewerkschafterin Brugger greift die „Tarifflucht“ auch im Kreis Göppingen um sich: „Immer mehr Betriebe versuchen, sich um Tarifverträge zu drücken. Damit setzen sie bewährte Standards aufs Spiel und bieten ein Einfallstor für Dumping-Konkurrenz.“ Besonders niedrig ist die Tarifbindung nach Angaben des IAB dabei in kleinen Firmen: Nur 17 Prozent der baden-württembergischen Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern halten sich aktuell an einen Tarifvertrag. In Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten liegt die Quote hingegen bei 69 Prozent.

Um diesen Trend zu stoppen, macht sich die NGG insbesondere für Flächentarifverträge stark. Solche habe man etwa in Brauereien, in der Getränkeabfüllung und in der Nährmittel- und Süßwarenindustrie durchgesetzt. Zugleich sei die Politik gefordert. Landes- und Bundesregierung sollten sich für eine höhere Tarifbindung einsetzen: „Wer sich um die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft sorgt, muss sich darum kümmern, dass die Tarifpartner gestärkt werden“, sagt Brugger. Unternehmen, die im Arbeitgeberverband seien, müssten dazu verpflichtet werden, sich an Tarifabschlüsse zu halten. Außerdem müsse es einfacher werden, Tarifverträge für ganze Branchen verpflichtend zu machen. Davon profitiere am Ende auch der Staat – durch höhere Einnahmen etwa bei der Renten-, Kranken- und Sozialversicherung.

Allerdings ist die Zahl der Tarifverträge, die für alle Betriebe einer Branche per Gesetz gelten, zuletzt stark gesunken. Eine so genannte Allgemeinverbindlichkeit wurde im Jahr 2017 lediglich 25 Mal vom Bundesarbeitsministerium erteilt. Im Jahr 2000 waren es noch 133 Fälle. Das geht aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor (Bundestags-Drucksache 19/8626).

 

PM NGG-Region Ulm-Aalen/Göppingen

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1 Kommentar

    • Andreas Schimak auf 16. Mai 2019 bei 7:58
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    Da quäkt die NGG mal wieder laut von Dingen, die sie in den 80ern einmal gelernt- und bis heute nichts dazugelernt hat! Zumindest darin ist sie sich ja mit dem DEHOGA einig!
    Es wäre doch schön, wenn NGG (ebenso wie DEHOGA) einmal deutlich mehr Kontakt zu den Betrieben und Mitarbeitern suchen würden, die sie angeblich „vertreten“, anstatt sich von Statistiken leiten zu lassen. Ich biete mich dafür gerne an!
    Schnell würden sie merken, dass im Großteil der Betriebe deutlich mehr getan wird, als tariflich gefordert. Schließlich ist auch der Mitarbeiter kein Dummer und weiß sehr genau, was ihm zusteht.
    Ja, ich glaube daran, dass es immer noch schwarze Schafe gibt (die nach wie vor mehr geschützt werden, als vorbildlich Betriebe gelobt werden), ja, es gibt bestimmt immer noch Betriebe, die sich selbst um den Mindestlohn drücken wollen – aber welcher Arbeitnehmer macht das denn heute noch mit? Nachdem solche schwarzen Schafe weder vom Verband, noch vom NGG, noch vom Gesetz „aussortiert“ werden, macht das eben irgendwann der Umstand, dass keiner mehr zu den angebotenen Leistungen arbeiten will.
    Ich schlage wieder eine Bresche für uns Gastronomen: Wir sind schon längst dort, wo uns die NGG immer noch nicht sieht: Wir sind einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, in keiner Branche gibt es so viele Arbeitsplätze, wie in der Gastronomie/Hotellerie. Wir zahlen ordentliche Löhne innerhalb unserer Möglichkeiten, damit wir überhaupt noch Mitarbeiter bekommen. Vielleicht sollten aber ganz speziell unsere Verbände endlich einmal darauf hinweisen, dass eigentlich der Kunde entscheidet, welchen Lohn der Mitarbeiter bekommt! Wenn Gastronomen in einem ständigen Wettkampf stehen, wer das billigste Tagesessen anbietet, wenn Restaurants bemüht sind, sich bei der „Schwabenwährung“, also dem Rostbraten stets zu unterbieten, dann muss irgendwann auch einmal dem Kunden klar werden, dass dann eben irgendwo eingespart wird: An der Qualität der Ware, die auf dem Tisch liegt und an den Löhnen der Mitarbeiter.
    DAS wäre sinnvolle Verbandsarbeit lieber NGG und lieber DEHOGA! DAS würde der gesamten Branche, samt ihren Mitarbeiter helfen! DAS wäre einmal zeitgemäß und eben nicht eine Forderung aus den 80ern, die bis heute in Dauerschleife läuft.

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