Zweiter Streik bei Passagierabfertigung am Stuttgarter Flughafen – am Vormittag Protestaktion bei den Eignern Stadt und Land

ver.di hat die Beschäftigten der Stuttgart Ground Services (SGS) am Stuttgarter Flughafen mit Beginn der Frühschicht um 3:30 Uhr zu einem zweiten Warnstreik aufgerufen. Bei einer Befragung hatten sich die Mitglieder klar gegen eine Annahme des letzten Arbeitgeber-Angebots vom Mittwoch und für eine Fortsetzung der Tarifrunde auch mit weiteren Warnstreiks ausgesprochen. Mit der heutigen Arbeitsniederlegung soll vor der vierten Verhandlungsrunde am nächsten Mittwoch der Druck auf den Arbeitgeber und seine Eigner Stadt und Land deutlich erhöht werden.

Gegen acht Uhr brachen die Streikenden vom Flughafen auf um anschließend für eine Protestaktion vor das Rathaus in Stuttgart sowie vor das Staatsministerium zu ziehen. Ein offener Brief mit den Forderungen sollte übergeben werden.

ver.di Verhandlungsführerin Katharina Wesenick: „Die Zeit der Niedriglöhne des immerhin öffentlichen Flughafens muss jetzt zu Ende gehen. Dafür liegt einfach noch zu wenig auf dem Tisch.“

Die Arbeitgeber setzen fremdes Personal in erheblichem Umfang zum Unterlaufen der Streiks ein. Dabei wurden und werden die gesetzlich vorgeschriebenen Rechte der Betriebsräte sowohl der SGS als auch der Beschäftigte abgebenden Unternehmen missachtet. Deshalb sieht sich ver.di in Stuttgart gezwungen, zu Arbeitsniederlegungen ohne vorzeitige Ankündigung aufzurufen.

ver.di Landesfachbereichsleiter Andreas Schackert: „Die Signale aus der Belegschaft sind eindeutig: Sie sind bereit, für eine bessere, sprich existenzsichernde, Bezahlung zu kämpfen.“

ver.di bedauert, dass Passagiere heute wieder mit Behinderungen beim Einchecken und der Abfertigung rechnen müssen sowie mit Auswirkungen auf den pünktlichen Flugverkehr. Die betroffenen Reisenden werden von den Streikenden heute über deren Arbeitsbedingungen am Flughafen informiert.

In der dritten Verhandlungsrunde am 1. März hatten die Arbeitgeber für die unterste Lohngruppe nicht einmal einen Euro mehr bei einer Laufzeit von zwei Jahren angeboten. Die vierte Verhandlungsrunde ist am kommenden Mittwoch ab 13 Uhr am Flughafen.

ver.di erwartet dann ein Angebot, das den Eigentumsverhältnissen der SGS Rechnung trägt. „Wir entlassen die Arbeitgeber und Eigner jetzt nicht mehr aus ihrer Verantwortung für anständige Arbeitsbedingungen am Stuttgarter Airport“, so Wesenick.

ver.di will für die gut 300 Beschäftigten in der Passagierabfertigung Gehaltssteigerungen von zwei Euro pro Stunde erreichen.

 

Hintergrundinformationen:

Die SGS ist der einzige Anbieter am Flughafen Stuttgart, der Leistungen in der Passagierabfertigung – vom Ticketverkauf bis zum Check-In – anbietet. Rund 40 Prozent der knapp 300 Beschäftigten sind befristet. Die SGS hat ihren Jahresgewinn von 2014 bis 2016 um über 75 Prozent auf voraussichtlich 1,9 Millionen Euro gesteigert. Diese Überschüsse führt die SGS an ihre beiden Gesellschafter, den Flughafen Stuttgart und die AHS Holding Hamburg, ab.

Trotz ihres privatwirtschaftlichen Status gehört die SGS zum öffentlichen Dienst: Ihre Eigentümer sind überwiegend in öffentlicher Hand. Dabei hält der Flughafen Stuttgart die Mehrheit an der Gesellschaft. Eine Grafik zur den Anteilseignern findet sich hier:

https://www.verdi-airport.de/index.php?get=download&cfilename=BRwTBQoFUFcdblUOZlQMDD4sFh85DlhWbWp3MH9aBwUNNTs0FD1UUUFQRAYXQw0C

Der Flughafen hatte die vormals in Eigenregie durchgeführten Dienste der Passagierabfertigung an seine Tochter ausgelagert und damit die existenzsichernde Bezahlung des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes umgangen. Diese Tarifflucht führt zu einem Lohnunterschied von bis zu 500 Euro pro Monat. Die Mehrheit der Beschäftigten verdient zwischen 9,20 Euro und 11,52 Euro pro Stunde brutto. Viele der Beschäftigten müssen bei diesen Löhnen ungewollt Kurzdienste ausführen. Insbesondere die ledigen und befristet Beschäftigten müssen zuhause leben oder von ihren Eltern finanziell unterstützt werden, weil das Gehalt nicht ausreicht, um die hohen Mieten in der Region Stuttgart zahlen zu können. Viele sind auf Zweitjobs angewiesen, obwohl sie Vollzeit arbeiten. Darunter auch Führungskräfte.

 

ver.di fordert ab dem 1. Januar 2017:

Zwei Euro pro Stunde mehr für alle Beschäftigten; gleiche Gewinnbeteiligung wie für die Beschäftigten der Muttergesellschaft Flughafen Stuttgart;

500 Euro Erholungsbeihilfe für ver.di Mitglieder; ab dem 15. Beschäftigungsjahr Aufstieg von Vergütungsgruppe 4 in Vergütungsgruppe 5;

Laufzeit: 12 Monate.

Die Tarifverhandlungen bei der SGS sind Teil der bundesweiten ver.di Initiative „Damit fliegen sicher bleibt“ für existenzsichernde, die Gesundheit und die Flugsicherheit erhaltende Arbeitsbedingungen im Bodenverkehrsdienst. Da die Flughäfen und privaten Anbieter von Bodenverkehrsdienstleistungen unter enormem Preisdruck der Fluggesellschaften stehen, fordert ver.di alle Unternehmen zum Abschluss eines Branchentarifvertrages auf, um so die Arbeitsbedingungen dem Preisdruck zu entziehen und die Branche für die Zukunft abzusichern. Weitere Informationen auch unter:

 

https://www.verdi-airport.de/64

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