Seit dem 8. Januar werden rund 114.000 von ihren jeweiligen Arbeitgebern beim Gründungsausschuss der Pflegekammer Baden-Württemberg registrierten Pflegefachpersonen von diesem angeschrieben. Sollten weniger als 40 Prozent der Beschäftigten bis zum 23. Februar einen Einwand gegen die Registrierung erheben, wird die Pflegekammer errichtet (Bekanntgabe am 25. März).
ver.di Baden-Württemberg kritisiert sowohl das Verfahren als auch die Informationen des Gründungsausschusses. Auf der im Anschreiben verlinkten Webseite heißt es unter anderem wörtlich: „Eine Landespflegekammer hat Mitsprache in Entscheidungsgremien und ist damit zu allen relevanten gesetzlichen Entscheidungen stimmberechtigt.“ Jakob Becker, ver.di Landesfachbereichsleiter Gesundheit und Soziales: „Selbstverständlich wäre die Kammer bei gesetzlichen Entscheidungen nicht stimmberechtigt. Diese beschließt der Landtag. Auch mangelt es nicht an einer starken Stimme der Pflegenden, sondern am Willen, deren Vorschläge umzusetzen. Laut Sozialministerium ist eine Aufgabe der Kammer der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Damit wird die Verantwortung für eine zentrale Aufgabe des Staates an die Pflegefachpersonen übertragen.“ Der Gründungsausschuss geht zwar von einem monatlichen Beitrag von unter zehn Euro aus, gibt aber offen zu, dass künftig Fort- und Weiterbildungen erforderlich sein können, die nicht vom Arbeitgeber bezahlt werden. Dann müssten abhängig-beschäftigte Pflegefachpersonen regelmäßig ihre eigene Weiterbildung bezahlen. Jana Langer, Krankenpflegerin an der Uniklinik Ulm: „Ich habe bereits einen Arbeitgeber, der mir genau vorschreibt, wie ich zu arbeiten habe. Dazu soll jetzt noch eine Berufsordnung einer Kammermit eigener Berufsgerichtsbarkeit kommen, die mir weitere Vorschriften macht. Was für freie Berufe zur Wahrung von Qualitätsstandards Sinn ergibt, macht mich künftig zum Diener zweier Herren. Dabei möchte ich mich eigentlich mit ganzer Kraft den Patientinnen und Patienten widmen.“ ver.di kritisiert auch das vorgesehen Quorum, da es keine aktive Zustimmung zur Kammer oder gar Abstimmung vorsieht. Becker: „Wer ja sagt muss nichts machen, wer nein sagt muss begründet innerhalb von sechs Wochen Einwände vorbringen. Von einem demokratischen Quorum kann in diesem Verfahren keine Rede sein. Sollte die Kammer kommen, wird sie für immer mit dem Makel einer fehlenden echten Legitimation leben müssen. Dem Sozialministerium haben wir als Interessenvertretung von zigtausenden in ver.di organsierten Pflegekräften x-mal erklärt, woran es in der Pflege mangelt. Oft auch gemeinsam mit anderen Verbänden. Warum berechtigte Forderungen eine bessere Chance auf Umsetzung haben, wenn sie von einer Kammer formuliert werden, erschließt sich uns nicht.“ Volker Mörbe, Krankenpfleger und Mitglied im früheren Beirat Pflegekammer des Sozialministeriums: „Die zahlreichen Pflichten und möglichen Kosten, die eine Pflegekammer für die Pflegefachpersonen bringt, finden sich nicht einmal im Kleingedruckten. Sie werden komplett verschwiegen. In Rheinland-Pfalz, wo es eine Kammer seit sieben Jahren gibt, sind inzwischen Beiträge von 33 Millionen Euro eingefordert worden. Ohne dass sich dort die Situation in der Pflege messbar verbessert hätte. Die Auflösung der Pflegekammern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach einem eindeutigen Votum der Pflegefachkräfte sollte für Baden-Württemberg eine Warnung sein.“
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg