Angebot der Unikliniken Baden-Württemberg bedeutet über 
15 Prozent Reallohnverlust – ver.di bereitet Warnstreiks vor der zweiten Verhandlungsrunde vor

Begleitet von einem Warnstreik der Psychotherapeut:innen in Ausbildung (PiAs) ist heute am frühen Abend die erste Verhandlungsrunde für die rund 26.000 Beschäftigten in Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Ulm, für deren Arbeitsverhältnisse der Tarifvertrag Unikliniken Baden-Württemberg gilt, ohne Ergebnis beendet worden. Die Verhandlungen werden am 2. November fortgesetzt.

Das Angebot bestand hauptsächlich aus einer abgabenfreien, nicht tabellenwirksamen Zahlung und einer ersten tabellenwirksamen Gehaltserhöhung nach faktisch 22 Monaten im Januar 2024 (Sieben Monate aufgrund des Kurzläufertarifvertrages vom Frühjahr plus weitere 15 Monate). Diesem Angebot hat die Verhandlungskommission von ver.di eine klare Absage erteilt.

Irene Gölz, ver.di Verhandlungsführerin: „Mickrige sechs Prozent mehr für drei Jahre anzubieten, bei einer Inflation in diesem Zeitraum von über zwanzig Prozent, ist eine Zumutung. Damit hätten die Kolleginnen und Kollegen am Ende der Laufzeit im Dezember 2024 real mindesten 15 Prozent Einkommensverlust zu tragen. Weitere Verhandlungen ergeben nur Sinn, wenn die Arbeitgeber bereit sind, unsere Entgelttabellen nicht weiter der Entwertung auszusetzen. Deshalb bereiten wir jetzt Warnstreiks noch vor der zweiten Verhandlungsrunde vor.“

Das Angebot der Arbeitgeber sieht eine auf 15 Monate befristete, abgabenfreie Zahlung in Höhe von 140 Euro (Azubis 70 Euro) monatlich vor. Erst ab dem 1. Januar 2024 soll es eine tabellenwirksame Erhöhung von 3,5 Prozent, ab 1. September 2024 soll es weitere 2,5 Prozent geben. Die Laufzeit soll insgesamt 27 Monate betragen, bis Ende 2024. Da im Frühjahr ein Kurzläufertarifvertrag mit einer Einmalzahlung abgeschlossen wurde, würde es erst nach insgesamt 22 Monaten Laufzeit eine nachhaltige Entgelterhöhung geben. Die Beschäftigten müssten bei diesem Angebot den vollen Inflationsverlust auf ihre Einkommen der Jahre 2022 und 2023 tragen. Auch für die heute zum wiederholten Mal streikenden PiAs haben die Arbeitgeber ihr Angebot nur geringfügig verbessert.

Lara Keding, Psychotherapeutin in Ausbildung und Mitglied der ver.di-Verhandlungskommission: „Von einer gerechten und angemessenen Bezahlung sind wir immer noch meilenweit entfernt, obwohl seit März verhandelt und gestreikt wird. Wir werden diesen Tarifkonflikt jetzt mit der Solidarität aller Beschäftigten an den Unikliniken weiterführen.“

ver.di fordert 10,5 Prozent, mindestens aber 375 Euro pro Monat bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von zwölf Monaten. Für die Azubis fordert die Gewerkschaft 200 Euro pro Monat. Die PiAs kämpfen seit Monaten für eine gerechte Eingruppierung, die von den Arbeitgebern in die Entgelttarifrunde gezogen wurde. Die Gewerkschaft erwartet außerdem Verhandlungen über eine bessere Regeleingruppierung der Sozialarbeiter:innen, eine Vorteilsregelung für ver.di Mitglieder von zusätzlich 50 Euro monatlich und einem weiteren freien Tag sowie eine freie Familienheimfahrt pro Monat für alle Azubis. ver.di ist bereit, in den Tarifverhandlungen auch über ein Modell zum Fahrradleasing zu sprechen. Der Arbeitgeberverband hatte nach der Kündigung der Entgelttabellen im Januar überraschend eine Coronasonderzahlung angeboten, was nach zwei Verhandlungsrunden in einen 7-monatigen Kurzläufer-Tarifvertrag mit einer Coronaprämie von 900 Euro bzw. 600 Euro für die Azubis mündete, verbunden mit der Zusage der Arbeitgeber, im Herbst die Verhandlungen über eine tabellenwirksame Erhöhung nachzuholen. Die Friedenspflicht endete am 30. September. Für die vier baden-württembergischen Uniklinika in Ulm, Tübingen, Heidelberg und Freiburg gilt ein eigener, mit dem Arbeitgeberverband Uniklinika abgeschlossener Tarifvertrag, von dem rund 26.000 Beschäftigte an den vier Kliniken betroffen sind. Die Ärzt:innen fallen unter den Tarifvertrag Ärzte Länder, das wissenschaftliche Personal als Landesbeschäftigte unter die Tarifbestimmungen des Landes. Weitere Informationen zur nun parallel laufenden Tarifrunde der Psychotherapeut:innen in Ausbildung: ver.di fordert für die rund 130 Psychotherapeut*innen in Ausbildung der vier Universitätskliniken im Land eine Eingruppierung entsprechend ihrem Grundberuf als Psycholog:in sowie der geleisteten Wochenarbeitszeit und die Anwendung des Tarifvertrages Unikliniken Baden-Württemberg auf die Arbeitsverhältnisse. Die Unikliniken haben in vier Verhandlungsrunden kein verhandelbares Angebot vorgelegt und bestreiten, dass die geforderte Verbesserung der Situation der PiAs notwendig ist. Psychotherapeut:innen in Ausbildung sind ausgebildete Psycholog:innen oder Pädagog:innen (überwiegend Frauen), die fast alle ein mindestens fünfjähriges Studium hinter sich und mit einem Master, wenige auch mit einem Bachelor abgeschlossen haben. Psychotherapeut:innen dürfen sie sich nur nennen, wenn sie weitere drei bis fünf Jahre eine entsprechende Weiterbildung absolvieren. In dieser Zeit arbeiten sie sechs bis 18 Monate in Kliniken und therapieren dabei selbstständig. Ohne die PiAs könnte die Therapie der Patientinnen und Patienten in den Kliniken nicht aufrechterhalten werden. So auch in den vier Unikliniken. Für ihre Arbeit – in der Regel 26 Wochenstunden – bekommen die PiAs bisher monatlich 1.385 Euro brutto. Zusätzlich zahlen sie für ihre Weiterbildung zwischen 300 und 1.000 Euro im Monat aus eigener Tasche an die meist uniklinikeigenen Weiterbildungs-Institute. ver.di fordert für die PiAs dagegen 2.800 Euro brutto monatlich, um sie damit korrekt entsprechend ihrem Grundberuf als Psycholog:innen zu bezahlen. Das wäre das Gehalt in der Entgeltgruppe 13 für 26 Wochenstunden.

PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg

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