Am morgigen Freitag beginnt die Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst zwischen ver.di und der VKA. Gefordert werden von ver.di eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und auch eine finanzielle Aufwertung der Arbeit durch eine bessere Eingruppierung. Dass der Gemeindetag gestern Alarm geschlagen hat, weil nach seiner Prognose bis 2030 40.000 pädagogische Fachkräfte in Baden-Württemberg fehlen werden, unterstreicht die Forderungen von ver.di.
Die Forderung der Gemeinden nach einer Verschlechterung der Personalschlüssel wird die gravierende Fachkräftelücke dagegen nicht schließen. Hanna Binder, stellvertretende Landesbezirksleiterin von ver.di Baden-Württemberg: „Wir laden den Gemeindetag herzlich ein, der Unterstützer*innen Kampagne zur Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst beizutreten. Aufwertung und Entlastung sind das beste Programm, um junge Menschen für diese Berufe zu gewinnen. Die vom Gemeindetag jetzt geforderten zusätzlichen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch noch größere Personalschlüssel konterkarieren den Bildungsauftrag der Kita. Sie sind ein Abschreckungsprogramm für potenzielle Bewerberinnen und werden keine einzige Erzieherin aus der Teilzeit zurückholen.“ „Die vergangenen zwei Jahre haben wie mit dem Brennglas die Defizite in den Bereichen des Sozial- und Erziehungsdienstes hervorgehoben. Egal ob Kita, Sozialarbeit, soziale Dienste, Jugendhilfe oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung: die Beschäftigten sind am Limit, viele auch darüber hinaus. Jetzt wollen wir für sie konkrete Verbesserungen erreichen“, so Hansi Weber, ehrenamtliche Vorsitzende der zuständigen ver.di Fachgruppe Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit und Mitglied der Verhandlungskommission von ver.di. Hanna Binder sagt mit Verweis auf die diese Woche veröffentlichte Studie der Böckler-Stiftung zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern: „Rund 90 Prozent der Beschäftigten in Kitas, Grundschulbetreuung und sozialen Diensten sind Frauen. Und sie werden auch deshalb immer noch schlechter bezahlt als in vergleichbaren typischen Männerberufen. Die Böckler-Stiftung hat aktuell festgestellt, dass der Fortschritt bei der Entgeltgleichheit immer noch eine Schnecke ist. Dieser Schnecke wollen wir jetzt Beine machen. Denn Wertschätzung heißt, dass die Beschäftigten die an sie gestellten gestiegenen Anforderungen und die hohe Verantwortung auch im Geldbeutel merken. Wertschätzung heißt, dass die Aufgaben auch mit verbindlichen Vor- und Nachbereitungszeiten hinterlegt werden. Niemand würde von einem Baustatiker verlangen im Vorbeigehen ein Gutachten zu erstellen. Warum macht man das also im Sozial- und Erziehungsdienst, wenn es um die frühkindliche Bildung unserer Kinder geht?“ „48,4 Prozent der Beschäftigten in der Behindertenhilfe denken darüber nach, ihren Job aufzugeben. Das ist ein Alarmsignal, das wir nicht länger ignorieren dürfen. Nur durch gute Arbeitsbedingungen und finanzielle Anerkennung können wir dafür sorgen, dass diese Fachkräfte nachhaltig dem Bereich erhalten bleiben. Wertschätzung darf keine leere Worthülse sein, sondern muss auch mit Taten hinterlegt werden“, so Irene Gölz, ver.di Landesfachbereichsleiterin Gesundheit, Soziales und Bildung.
ver.di erwartet in diese Tarifrunde, insbesondere, weil die Beschäftigten in den vergangenen zwei Jahren entscheidend dazu beigetragen haben, den gesellschaftlichen Zusammenhalt sicherzustellen, zügig Antworten der Arbeitgeber, die die Tätigkeiten aufwerten, für Entlastung sorgen und den akuten Fachkräftemangel stoppen. Sollte kein Entgegenkommen erkennbar sein, schließt die Gewerkschaft auch Streiks nicht aus. Die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Kommunen gehören zwar zum TVöD, die Eingruppierungsregelungen sowie weiterer Regelungen etwa zum Gesundheitsschutz sind in einem eigenen Tarifvertrag vereinbart, der erstmals 2009 und dann erneut 2015 verhandelt wurde. Bereits 2020 sollte die dritte Runde stattfinden, diese wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben.
Direkt von den Verhandlungen betroffen sind in Baden-Württemberg die kommunal Beschäftigten pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, in der Schulkindbetreuung, in der Sozialarbeit und der Behindertenhilfe. Alleine in der frühkindlichen Bildung sind damit rund 45.000 Beschäftigte in Baden-Württemberg direkt in kommunalen Einrichtungen betroffen knapp 60.000 Beschäftigte sind bei Kitas von freien Trägern direkt oder indirekt berührt. Zusammen betreuen sie 473.000 Kinder. Darüber hinaus sind direkt oder indirekt im Land weitere 32.000 Beschäftigte in sozialen Diensten und Einrichtungen von den Verhandlungen betroffen.
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg